Liberty 9 - Sicherheitszone (German Edition)
Ich habe keine Ahnung, wo… «
Dante erahnte, was sie fragen wollte. » Auf der anderen Seite des Heizungskellers! Ich warte da unten, wo du mich mit Jaydan überrascht hast! Du musst kommen! « , flüsterte er beschwörend und ging dann Senior Winslow entgegen.
Kendira entfernte sich in entgegengesetzter Richtung, ohne sich jedoch zu beeilen. Das hätte erst recht Argwohn erregt. Und so hörte sie noch, wie der Servanten-Aufseher Dante mit missbilligendem Unterton fragte, was er denn mit einem Elector zu reden gehabt habe, und wie Dante darauf scheinbar verärgert antwortete: » Sie hat sich für mein Taschenmesser interessiert und wohl gedacht, ich rücke es heraus, bloß weil sie ein Alpha-Elector ist. Aber das kommt nicht infrage. Die Hochwürdigen müssen ja nicht alles haben. Den wird doch auch so schon purer Goldstaub in den Hintern geblasen, wenn du mich fragst! «
» Mensch, Dante! Halte bloß deine lockere Zunge im Zaum, sonst bringt sie dich noch mal auf den Stuhl « , wies Senior Winslow ihn zurecht. Doch in seiner Stimme schwang der Anflug eines Auflachens mit und verriet, dass er ähnlich dachte. » Und jetzt sieh zu, dass du ins Refectorium kommst! Ich kümmere mich um die Leiter. «
Kendira schlug einen Bogen um die Fischteiche herum und rätselte, was Dante ihr bloß in der Arrestzelle zeigen wollte. Seyward hatte eine Botschaft hinterlassen! So viel hatte sie verstanden. Aber sosehr sie auch grübelte, sie gelangte nicht einmal in die Nähe einer Vermutung, um was es sich bei dieser Botschaft handeln konnte und warum sie Dante so in Aufregung versetzt hatte. Dass sie nachher zu ihm in den Heizungskeller schleichen und sich Seywards Botschaft anschauen würde, wusste sie schon, bevor sie noch die Fischteiche umrundet hatte und auf dem Weg zurück zur Lichtburg war.
Warum, um alles in der Welt, fühlte sie sich von ihm bloß so angezogen und schenkte ihm und seinen verrückten Überlegungen nur immer wieder Gehör? War es das Geheimnisvolle, das er so plötzlich in ihr bis dahin so klar geordnetes Leben gebracht hatte, was sie so an seiner Gesellschaft faszinierte?
Was immer es war, sie würde sich die Arrestzelle ansehen!
Bei Abendessen vermied sie jeglichen Blickkontakt mit ihm, und auch er unterließ es, ihre Aufmerksamkeit zu erregen oder sie mit Vorzug zu bedienen. Was immer er an ihren Tisch brachte, servierte er bei Hailey und Leota auf der anderen Seite.
Nach dem Essen kam Carson zu ihnen an den Tisch. » Kommt ihr gleich mit zum Vista Hill? « , fragte er, doch sein Blick ruhte allein auf Kendira. » Duke und ich wollen mit ein paar anderen mal wieder in die Kletterwand und danach an den See. Master Brewster hat heute das Bootshaus und die Benutzung der Kajaks und Ruderboote freigegeben. «
» Klar kommen wir mit! « , kam es sofort von Hailey. » Ich war auch schon lange nicht mehr in der Wand. «
» Und danach machen wir auf dem See ein Kajak-Wettrennen « , fügte Colinda hinzu. » Vielleicht ist der See sogar schon wieder warm genug zum Schwimmen. «
» Kommst du auch mit? « , fragte Carson Kendira nun direkt.
Sie reagierte geistesgegenwärtig und nickte. » Natürlich. Aber geht ihr schon mal vor. Ich muss noch schnell in die Mediathek und etwas herunterladen « , sagte sie. » Sonst habe ich nachher im Bett nichts mehr zum Lesen. Ich komme dann gleich nach! «
20
Augenblicke später eilte Kendira den breiten steinernen Treppenaufgang hinauf und gab sich den Anschein, ihr Tablet aus ihrem Spind im Dorm holen und in die Mediathek gehen zu wollen. In Wirklichkeit lief sie am Alpha-Dorm vorbei und kehrte auf dem Weg über die Servantenstiege ins Erdgeschoss zurück.
Sie fand die Tür zum Heizungskeller einen Spaltbreit offen stehen. Die Beleuchtung im Treppengang war zwar ausgeschaltet, aber von unten drang genug Licht zu ihr herauf, um sich nicht in völliger Dunkelheit die Stufen hinuntertasten zu müssen.
Mit einer Hand sicherheitshalber am Geländer, eilte Kendira die steile Treppe hinunter. Unten am Absatz zweigte von einem kleinen quadratischen Vorraum zu beiden Seiten ein langer Gang ab. Die Wände trugen einen tristen Anstrich aus graugrünlicher Ölfarbe und es roch muffig und nach feuchtem Mauerwerk.
Sie wandte sich nach links, denn aus dem hinteren Teil des Kellerflurs kam das Licht. Und noch bevor sie Dantes Gestalt im Schein einer Deckenleuchte entdeckte, hörte sie aus der Tiefe des Korridors seinen leisen Pfiff und den ebenso gedämpften Zuruf: »
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