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Liberty: Roman

Liberty: Roman

Titel: Liberty: Roman Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Jakob Ejersbob
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dann dreht er sich um und geht wieder ins Wohnzimmer, schließt die Tür. Ich rutsche auf den Knien, wringe den Lappen aus, wische das Erbrochene auf, weiche den Lappen ein und wringe ihn wieder aus. Noch einmal kommt es mir hoch – heftig, es war noch nicht zu Ende. Das muss auch jetzt noch aufgewischt werden – und dann die ganze Strecke bis zum Bett. Die Kotzspur. Leere den Eimer in die Toilette, spucke. Werfe den Lappen in den Korb mit der dreckigen Wäsche im Badezimmer. Drücke mir einen Streifen Zahnpasta in den Mund und verteile ihn mit der Zunge. Spüle mit Wasser nach. Spucke den Zahnpastaschleim ins Waschbecken, schmecke den Geschmack von Galle ganz hinten im Mund, direkt am Rachen – es kratzt. Stütze mich mit der Hand an der Wand ab, als ich in mein Zimmer gehe. Die Wohnzimmertür geht auf. Vater schaut heraus, nickt. »Schlaf gut«, sagt er. Ich gehe weiter bis zu meinem Bett. Falle hinein.
Marcus
    MUHAMMAD ALI
    »Könnte ich nicht zu einem Praktikum nach Schweden?«, frage ich Jonas auf der Veranda. »Hinterher könnte ich viel Arbeit für Sie erledigen und das Projekt hier in Moshi leiten.«
    »Schweden?«, sagt er. »Du hast gesagt, du willst zur Schule gehen, und meine Tante Elna will dir bei den Kosten helfen. Aber du bist Tansanier, also gehst du auf eine Schule in Tansania.«
    »Aber die Schulen hier sind sehr schlecht.«
    »Wenn du die Schule ordentlich beendest, kann ich dir vielleicht hinterher Arbeit im Projekt verschaffen.« Katriina kommt zu uns.
    »Du kannst auch weiterhin dein Zimmer hier haben, wir jagen dich nicht davon«, sagt sie.
    »Aber jetzt verschwinde«, sagt Jonas. »Wir brauchen dich heute Abend nicht.«
    Ich gehe in mein Ghetto. Tsk, ich bin achtzehn und habe ziemlich gute Zeugnisse von der Kibo Secondary School – ich muss weiterkommen im Leben und wohne bei den Schweden. Doch nun wollen sie mich in diesem unfähigen tansanischen Gymnasium parken.
    Christian kommt, als im Haus diese glatte schwedische ABBA -Musik gespielt wird.
    »Lass uns gehen«, sage ich. Wir laufen in der Dunkelheit ins Stadtzentrum. Ich habe Hunger. Vor dem ABC -Theater kaufen wir Tansania-Hotdogs: auf Holzkohle gegrillte Yams. »Ich muss mit dem DJ vom Liberty reden«, sage ich, und wir gehen zu Alwyns Ghetto. Eeehhh – im Fernseher läuft ein Video.
    »Setzt euch«, sagt Alwyn – er hat gern Gäste, denn wie könnte der Materialismus für große Selbstzufriedenheit sorgen, wenn kein Armer ihn mit neidischen Blicken ansieht? Ich schlucke den Klumpen Stolz hinunter und frage ihn: »Brauchst du noch jemanden bei deiner Arbeit im Liberty und zum Kopieren der Kassetten?«
    »Nein«, sagt er und lächelt hässlich. Christian sitzt bereits vor dem Fernseher. Die Videomaschine läuft mit einem alten Boxkampf. Muhammad Ali schlägt auf George Foreman ein, Zaire 1974.
    Die Leute im Kongo halten zu Ali – Foreman wird verprügelt. Wir gehen im Dunklen zurück.
Christian
    Vater organisiert ein Abschiedsessen für Thorleif, der demnächst zu seiner Frau nach Norwegen zurückfahren wird. Ein isländisches Ehepaar und ihre Tochter aus Iringa sind dabei, der Mann arbeitet ebenfalls für Nordic Project. Die Tochter heißt Sif. Sie ist anderthalb Jahre jünger als ich, und ihre Eltern haben sie nach Moshi mitgenommen, um sie auf der ISM abzuliefern. Sie soll als Internatsschülerin in die Klasse unter mir gehen. Sif ist klein, hat kohlschwarzes Haar und ein sehr weißes Gesicht mit feinen Zügen. Bis auf die großen, dunklen Augen.
    »Wie ist die Schule?«, erkundigt sich die isländische Mutter.
    »Gut«, sage ich und sehe dabei Sif an, die etwas bedrückt wirkt. »Du musst dir keine Sorgen machen. Die Leute sind nett.«
    »Okay.«
    »Jetzt kennst du ja Christian«, meint ihr Vater. »Er ist dir bestimmt behilflich, wenn du irgendwo Unterstützung brauchst. Nicht wahr, Christian?« Erwartet er etwa, dass ich auf der ISM das Kindermädchen für seine Tochter spiele?
    »Ja, natürlich«, antworte ich. Dann fangen die Erwachsenen an, über Politik zu reden. Und ich strenge mich wirklich an, ihr etwas von der Schule zu erzählen. Sie fragt mich nichts, sondern nickt nur. Und ich erkläre ihr alles, was mir in den Sinn kommt.
    »Ich geh mal nach draußen«, sage ich nach dem Essen, denn ich habe das Gefühl, die Isländer würden über Vater herfallen, wenn sie mich rauchen sähen. Sie greifen ihn bereits ziemlich hart wegen seiner konservativen politischen Standpunkte an.
    »Was willst du denn machen?«, erkundigt

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