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Liberty: Roman

Liberty: Roman

Titel: Liberty: Roman Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Jakob Ejersbob
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die auf den Berg führt, und den Wald dahinter, und dort, gleich westlich des Waldes: die Simba Farm. Die Scheunen und Werkstätten um den Hofplatz. Das Haupthaus und das Gästehaus, das neongrüne Gras und die Blumenbeete. An einer Seite der Rasenfläche sehe ich sogar ein kleines hellblaues Quadrat – den Swimmingpool – und einen hellen Fleck, der darin schwimmt. Ist es der Kolonialist, der meine Mutter gevögelt hat? Und jetzt soll ich nach Hause und sie besuchen. Denn andere Kinder hat sie nicht.
    Wir erreichen die Flughöhe. Ich gehe nach hinten auf die Toilette. Truddi kotzt in eine Tüte. Mit geht durch den Kopf, dass die Getränke umsonst sind. Ich drücke auf den Knopf und bestelle ein Bier nach dem anderen, dazu gesalzene Mandeln. Schließlich schlafe ich ein. Fliege durch zersplittertes Glas und Blut, stürze auf die Erde … und erwache. Blicke auf einen Patchworkteppich aus scharf abgezirkelten Feldern, Höfen, Waldstücken – nicht ein wilder Fleck in ganz Nordeuropa. Landung. Flughafen Schiphol, Amsterdam. Wir werden im Sheraton übernachten, ich kann erst morgen früh nach Kopenhagen weiterfliegen. Überall Geschäftsleute, Stewardessen, hübsche Koffer, glattes Linoleum, blanke leuchtende Schilder, Wohlgeruch. Sämtliche Oberflächen sind glatt, einheitlich und sauber. Von keinerlei Rissen, Unkraut, Steinen oder Staub angekratzt. Der Asphalt sieht aus wie ein Billardtisch, begrenzt von geraden Kanten, an denen der Bürgersteig beginnt – vollkommen waagerecht und ohne Scharten, Löcher oder verwitterten Beton. Es gibt Straßenlaternen mit Licht in allen Birnen, und die Autos sind sauber, geräuschlos und ohne Abgase. Science-Fiction. Ein Bus fährt uns ins Hotel. Die Empfangsdamen glotzen. Geschäftsleute im Anzug und dann ein Haufen ISM -Schüler in zerschlissenen Jeans, ausgebleichten T-Shirts, Sandalen aus Autoreifen oder ausgetretenen Gummilatschen. Die Schlüssel werden ausgehändigt. Einige von uns bleiben einfach stehen. Auch Katja. Desorientiert vom Jetlag, obwohl es fast die gleiche Zeitzone ist. Europa ist zu eigenartig.
    »Hier entlang, meine Damen und Herren«, fordert uns eine tatkräftige Rezeptionistin auf und geht voran, um diese Gruppe von Lazarussen aus dem Empfangsbereich zu entfernen. Wir trotten hinterher. Ich stolpere beinahe über den dicken Flor des Teppichs. Das Bier aus dem Flugzeug ist verdampft, als ich geschlafen habe. Ich wohne im Parterre, die Empfangsdame zeigt auf eine Tür und geht mit Katja im Schlepptau weiter den Gang hinunter.
    »Bis bald«, sagt sie mit einer schwachen Handbewegung.
    »Ja.« Der Raum, den ich betrete, ist wohlgeordneter Wahnsinn. Das Bad! Kleine Seifen und Flaschen mit Shampoo. Ich ziehe mich aus. Das heiße Wasser sprudelt, bis ich beinahe ertrinke. Die Weichheit der Handtücher grenzt ans Unmögliche. Ich wickele mich in eines davon. Putze mir die Zähne, die Zahnpasta schäumt wahnsinnig. Öffne die Schiebetür nach draußen. So bizarr, dass mir schwindelig wird. Was ist das? Gras – ich trete darauf –, gleichmäßig wie ein industrieller Teppich. Einheitlich, ohne trockene oder kahle Stellen, keinerlei Unkraut. Merkwürdig. Es gibt … Vögel. Die Vögel singen. Keine Zikaden. Es ist noch immer hell, obwohl es Abend ist – es muss acht Uhr sein. Ich sehe die Flugzeuge, die in der Ferne starten und landen. Die Dinge funktionieren. Das Gras kitzelt meine Füße. Ich schaue zurück zum Zimmer, sehe die offene Tür, und ich sehe eine Gardine, die sich im Nachbarzimmer bewegt. War das Katja? Ich schaue an mir hinunter. Sonnengebräunt mit einem Handtuch um den Bauch auf einem Rasenstück – ein Primitiver. Ein Schreck durchzuckt mich: Ich muss meine Tür abschließen, sonst werde ich von Straßenräubern bestohlen. Aber nein, hier ist kein Mensch, nur in diesen pervers neuen und sauberen Autos, die in einem sanften Strom auf der Straße vorbeifahren; so geräuscharm und präzise eingestellt, dass keinerlei Dieselgestank entweicht. Niemand besitzt genügend Geistesgegenwart, hier zu stehlen. Ich gehe wieder hinein, nehme mir eine Cola aus der Minibar, greife zu meiner Schachtel Sportsman. Nein. Ich ziehe mich an und frage an der Rezeption nach Zigaretten. Der Alte hat mir ein paar ausländische Scheine gegeben, die er noch herumliegen hatte. Ich wechsele sie an der Rezeption in holländische Münzen. Ziehe eine Packung Lucky Strike an einem Automaten mit unzähligen Marken und indirekter Beleuchtung. »It’s toasted«, steht auf der

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