Liberty: Roman
entsteht eine Pause.
»Ich wollte nicht weg«, sagt Katja.
»Warum nicht?«
Sie antwortet nicht.
»Sollst du in Finnland bleiben?«
»Ja.« Sie zieht die Nase hoch. Ich lege einen Arm um ihre Schulter.
»Das wird schon werden«, behaupte ich, obwohl … ich überhaupt nicht sicher bin.
»Ich kenne dort niemanden.«
»Du wirst Leute kennenlernen. Und du kannst doch nach Tansania zu Besuch kommen.« Was rede ich da bloß – vielleicht klinge ich albern, ich unterbreche mich. »Ich werde …« Ich höre auf. Ich wollte sagen, dass ich ihr schreiben werde. Aber ich glaube, es passt irgendwie nicht. Wir sind still. Katja zündet sich eine Zigarette an, raucht, reicht sie mir, ich ziehe und gebe sie zurück. Sie seufzt. Und drückt die Zigarette aus.
»Küss mich«, sagt sie im Dunklen. Ich finde ihr Gesicht. Wir küssen uns. Es ist fantastisch. Sie beginnt zu weinen. Wir halten uns fest. Es ist sehr traurig. Wir küssen uns noch einmal, mit ihren Tränen, und während wir uns küssen, lächelt sie mich zwischen den Tränen an. »Ich wusste nicht, dass du mich magst«, sagt sie leise.
»Du bist sehr hübsch«, flüstere ich und berühre ihren Bauch. Sie zieht ihr T-Shirt aus. Ich streichele ihre Brüste, küsse sie, und … wir machen es – alles. Es ist … fantastisch. Himmlisch.
Das Telefon weckt uns.
»Katja …«
»Ja?« Ein kleines Lächeln.
»Danke.«
»Gleichfalls. Wir treffen uns im Restaurant. Zum Frühstück«, sagt sie und geht unter die Dusche. Unter die Dusche würde ich gern mitkommen, aber ich gehe in mein Zimmer. Ein rasches Bad, dann packe ich meine Sachen zusammen. Das Bett ist unberührt. Zum Empfang, den Schlüssel abliefern, ins Restaurant. Katja sitzt zusammen mit Truddi und dem Norweger Øystein an einem Tisch. Ich hole mir etwas zu essen.
»Guten Morgen«, wünsche ich und setze mich. Katja lässt sich nichts anmerken. Kurz darauf fahren wir im Bus zum Flughafen. Im Flugzeug sitzen wir ein Stück auseinander.
In Kopenhagen gehen wir alle zum Gepäckband. Ich stelle mich neben Katja.
»Bist du okay?«, fragt sie mich.
»Ja. Und du?«
»Ich bin … nicht okay«, sagt Katja.
»Ich vermisse dich schon jetzt.«
»Ich weiß.« Wir schweigen, während das Gepäckband Runde um Runde an uns vorbeizieht. Meine Tasche kommt. Ich lasse sie passieren. Beim nächsten Mal greife ich sie, stelle sie auf den Boden. Das Band läuft weiter. »Hast du noch etwas?«, fragt Katja.
»Nein.«
»Wieso gehst du dann nicht?«
»Ich warte auf dich.«
»Geh schon«, fordert sie mich auf. »Ich muss jetzt ein Flugzeug nach Helsinki erreichen.« Ich sage nichts, rühre mich nicht. Truddi und Øystein stehen ein Stück von uns entfernt. Katja stellt sich vor mich, nimmt mein Gesicht in ihre Hände, schaut mir in die Augen und fragt: »Spürst du die Leere?«
Ich blicke auf meine Füße.
»Jetzt küsse ich dich, und dann gehst du«, sagt sie.
Ich blicke auf meine Schuhe und schlucke.
»Okay?«
Ich nicke. Sie küsst mich. Ich umarme sie. Fest. Bis sie sich mir entzieht. Und sich abwendet. Ich bücke mich nach meiner Tasche. Gehe. Atme schwer.
Marcus
VOLLKOMMEN IRRE
Als ich fünfzehn war, hat Mika mir mal die Methode gezeigt, wie die weißen Jugendlichen im Moshi Hotel saufen und auf dem Rückweg die Straßenlaternen als Haltepunkte für den Körper nutzen, wenn sie kotzen müssen. Das ist vier Jahre her. Jetzt hat Mika Haare am Kinn und wie Jonas Larsson Erde im Mund. Mika stottert und stammelt nicht mehr, aber die Wörter geraten ihm noch immer ziemlich durcheinander.
Ich hole ihn mit Ibrahim im Pick-up des Onkels am Flughafen ab. Und schon auf dem Weg nach Moshi haben alle Worte aus Mikas Mund irgendetwas mit bhangi , Konyagi, Alwyn, Tansanit-Steinen, malaya , Africafé und Zebrafleisch zu tun. Mika wohnt im Haus der Larssons, schläft im Larsson-Bett. Wir sind nur zu zweit – Josephina ist im Urlaub in ihrem Dorf. Mika öffnet den Kühlschrank.
»Verflucht, gibt’s nichts zu essen?«
»Ich habe kein Geld«, sage ich. Er sieht die drei Motorräder des Projekts, die in der Garage stehen und mit einer dicken Kette und einem Vorhängeschloss zusammengeschlossen sind.
»Es ist einfacher, wenn ich mein eigenes Motorrad habe. Wo sind die Schlüssel?«, fragt er.
»Jonas hat sie mit nach Schweden genommen«, lüge ich, denn ich will keine Probleme bekommen, wenn dieser Bengel falsch fährt oder ihm das Motorrad geklaut wird. Ich ziehe es vor, von Jonas beschimpft zu werden, weil ich Mika keinen
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