Liberty: Roman
Guesthouse.
Am folgenden Abend beginnt der gleiche Wahnsinn. Nun wird Feuer in der Sauna verlangt, Essen soll bei mama Androli geholt werden, und Bier hat im Kühlschrank zu sein. Wenn ich meine Pflichten erledigt habe, bekomme ich zu hören: »Verschwinde.« Von meinem Ghetto aus höre ich das Gelächter von dem kleinen Platz vor der Sauna, wo man sich abbraust und hinterher mit einem Bier sitzt, bevor man wieder in den Ofen geht. Wahnsinn. Dann ertönt ein gewaltiges Gebrüll, wie ich es bisher nur von einem großen Löwen in der Serengeti gehört habe. Aber es ist bwana D’Souzas Gebrüll. Ich renne zur Sauna. D’Souza steht nackt und eigenartig unter der Dusche, mit einer Riesenwampe, die beinahe neben der Pumpe hängt, aber er hat so gut wie keinen Bart und keine Haare mehr – Brust und Arme, Hals und Kopf rot, brüllend.
Jonas sitzt auf der Bank vor der Sauna, vollkommen weggetreten von bhangi , mirungi und Konyagi.
»Ist er verrückt geworden?«, fragt Jonas.
»Er hat ein Glas Wodka auf die Steine gegossen. Stichflamme«, sagt John und entdeckt mich direkt am Eingang. »Marcus, hol alle Eiswürfel aus der Gefriertruhe«, sagt er. Jetzt versteh ich, den Trick hatte Mika mir gezeigt: Du gießt Wodka auf die Steine des Saunaofens, dann kannst du den Schnapsdampf einatmen und wirst auf eine ganz schnelle Art und Weise high und besoffen. Aber du musst aufpassen, sonst wird der Wodka zu einem Flammenmeer.
WARME KÜHLERHAUBE
Ich bin Marcus – ein kleiner dummer Anhänger, der einfach dorthin fährt, wohin der weiße Fahrer sein Lenkrad dreht. Für mich ist das Leben ein Gefängnis, eine Unterdrückung. Die Leute sollten sich wünschen, dass ein Mensch unabhängig wird, aber diese Schweden treten für die Sklaverei ein. Ich muss nur ruhig und gelassen bleiben und diese heuchlerische Maske tragen, dem Reglement dieser Narren folgen und den Befehlen gehorchen, bis ich so weit bin, dass ich auf eigenen Füßen stehen kann.
Am nächsten Morgen klingelt mein Wecker früh, und ich kann meinen kleinen Mädchen beim Aufstehen helfen. Ich gehe ins Haus und sehe Jonas auf dem Sofa im Wohnzimmer schlafen. Ich wecke die Mädchen, gehe in die Küche, hole Juice aus dem Kühlschrank und röste ein paar Toasts. Die Tür zur Veranda klappt, ich schaue aus dem Fenster. Es ist Katriina im Morgenmantel. Sie geht zum Land Cruiser und legt eine Hand auf die Kühlerhaube. Die Botschaft ihres Gesichts ist deutlich: Der Kühler ist noch immer lauwarm – nach der Pumperei ist er gestern Abend erst sehr spät nach Hause gekommen.
Aber Sia ist tüchtig, sie arbeitet gut, und ich muss mich nicht mehr allein um alles im Haus und am West-Kilimandscharo kümmern. Sie kommt an meine Tür.
»Marcus, ich bin auf der Polizeischule angenommen worden«, sagt sie lächelnd.
»Ohhh, herzlichen Glückwunsch«, sage ich – sehr betrübt, aber auch glücklich über ihre wunderbare Zukunft. Polizeibeamtin, vielleicht bei der Verkehrspolizei, jede Menge Schmiergeld, das ein Leben im Wohlstand ermöglicht. Hat sie nicht Glück? Schluss mit dem Scheißjob als Haushilfe, Schluss mit dem Wahnsinn der wazungu . Sia hat den Job als Haushilfe bloß zur Sicherheit angenommen, sollte ihre Bewerbung an der Polizeischule nicht berücksichtigt werden. Jetzt ist es meine Aufgabe, ein neues Hausmädchen zu finden.
Sia bekommt von Katriina ihren Lohn und geht. Sofort geht Katriina im Haus herum, sucht sämtliches Geld zusammen und setzt Rebekka in das verschrammte Auto. »Ich hole Solja von der Schule ab und ziehe ins Hotel Tanzanite«, sagt sie und fährt.
EXODUS, SCHWEDEN
Gösta ist zufrieden mit meiner Arbeit für das Projekt und hält mich für ein würdiges Bindeglied zwischen den Schwarzen und den Weißen – ich verstehe beide Welten und bin in jegliche Richtung beweglich.
»Marcus, ich werde dafür sorgen, dass du beim nächsten Mal auf einen Kurs nach Schweden kommst«, sagt er.
»Wirklich!?« Ich schreie fast und greife nach seiner Hand: »Das macht mich sehr glücklich. Ich werde immer gute Arbeit für Sie leisten.«
»Ich weiß, Marcus. Du hast es verdient, nach Schweden zu kommen.«
»Aber was ist mit Jonas?«
»Jonas hat dich viel zu lange warten lassen. Es ist meine Entscheidung, und ich habe sie ihm bereits mitgeteilt.«
»Danke. Danke. Wann soll ich fliegen?«
»Zunächst muss alles organisiert und genehmigt werden, aber in ein paar Monaten dürfte es Platz geben«, sagt Gösta.
Ohhh, wunderbare Wunder. Ich träume mit offenen
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