Liberty: Roman
fehlenden Ausbildung zu antworten. Nur ein Kontoauszug von Jonas würde alles erklären, und ich weiß, wo im Haus sie liegen. Aber will ich mir selbst in den Fuß schießen oder nur Schrauben für Möbel finden?
»Okay«, sage ich. »Wann fahren wir?«
»Wir fliegen heute Nachmittag«, antwortet er. Fliegen? Ich gehöre nicht zu der Kategorie, die fliegt – es ist das erste Mal. Ich fühle mich am Flughafen fast wie GM ’s Gepäck. Wir sollen mit Air Tanzania Corporation fliegen, auch bekannt als Air Total Confusion. Wir sind früh am Flughafen, denn manchmal ist das Flugzeug verspätet, aber es kommt auch vor, dass es vor der Zeit startet oder der Präsident es für eine Reise geordert hat, um mit dem Diktator eines Nachbarlandes Tee zu trinken. Dann muss man wieder nach Hause fahren und eine Woche warten. Die Züge brauchen bis zu vier Tage bis nach Dar, und mit dem Bus kann man froh sein, wenn man sein Ziel erreicht, ohne vorher gestorben zu sein. Der Fahrer schläft, die Bremsen fehlen. Ich gehe aus dem Flughafengebäude und rauche einen Joint bhangi – wenn ich durch die Luft fliegen soll, will ich mithelfen, mich leicht werden zu lassen.
Es wird später Abend. Endlich soll das Flugzeug starten, aber wir werden abgewiesen.
»Ich habe die Tickets heute Morgen bei Minji in Moshi bestätigen lassen«, sagt GM am Schalter.
»Ihr steht nicht auf der Passagierliste«, sagt der Mann, bis er Geld bekommt.
Wir landen in Dar um ein Uhr nachts und werden von einem Pick-up mit Doppelkabine abgeholt, und ich – die kleine Laus – sitze auf der Laderampe. Wir fahren zu einem Guesthouse, aber dort ist kein Platz. Wir fahren von einem Ort zum anderen, aber alle Guesthouses sind voll. Nur in den großen Touristenstätten ist noch Platz. Wir fahren zum Embassy Hotel – schick, schick.
»Das ist mein Junge«, sagt GM und zeigt auf mich. »Er soll hier schlafen. Schickt die Rechnung ans Projekt.« Statt in einem Kakerlakennest bin ich im größten Touristenhotel. Ich sitze auf dem Zimmer und glaube es nicht. So kann das Leben spielen. Es gibt im Zimmer einen Kühlschrank mit Bier und allem. Keine Kakerlaken, keine Mücken. Es gibt keinen Fernseher, also gucke ich nur in den Kühlschrank, bis er morgens leer ist. Ich stehe auf und setze die dunkle Sonnenbrille auf, um meine Augen zu verbergen.
»Du siehst müde aus, Marcus«, sagt GM .
»Wissen Sie, gestern sind wir so viel herumgereist, dass ich kaum etwas sehe.« Aber ich finde die Schrauben – kein Problem. Black Star Line – jetzt fliegt sie auch.
PECHSCHWARZ
Sie sind beide zu Hause, sitzen auf der Terrasse. Ich sitze auf der Treppe an der Küchentür und rauche eine Zigarette. Die Kinder sind bei Freunden. Bwana Knudsen kommt in seinem Land Rover und steigt aus. Das Haar ist nach dem Tod der kleinen Tochter sehr grau geworden – jetzt ist er ein mzee .
» Na, und?«, sagt bwana Knudsen.
»Was?«, sagt Jonas.
»Hast du nicht …?«, beginnt bwana Knudsen.
»Wir müssen uns unterhalten«, sagt Katriina zu Jonas.
» Was ist los? Worüber?«
»Ich habe Niels gebeten zu kommen, damit er uns bei unserem Gespräch hilft. Über die Dinge, die passieren.«
» Was hast du?«
»Ich dachte, du wüsstest es«, sagt bwana Knudsen zu Jonas.
»Es ist notwendig, andernfalls fahre ich nach Hause«, sagt Katriina. Jonas seufzt.
»Lasst uns reingehen«, sagt bwana Knudsen.
»Das ist doch wohl nicht wahr«, sagt Jonas. »Das ist vollkommen …« Katriina unterbricht ihn.
»Du glaubst, ich bin blind«, sagt sie. »Ich weiß, dass du mit der Sekretärin der Imara schläfst …«
Jonas fällt ihr ins Wort: »Einen Scheiß weißt du!«
»Die Leute sehen dich überall.«
»Sehen mich überall? Wovon redest du?«, knurrt Jonas.
Katriina fährt fort: »Moshi Hotel, Stereo Bar, Kilimanjaro Hotel, Mama Friends Guesthouse – immer mit deiner schwarzen Hure.«
»Hört zu«, sagt bwana Knudsen. »Ihr müsst euch ausreden lassen. Keine Unterbrechungen.«
»Aber …«, fängt Jonas an.
»Stopp«, sagt Knudsen. Jonas ist still. Ich stelle mir vor, wie bwana Knudsen sich seine Pfeife ansteckt und große Rauchwolken an die Decke steigen. »Okay«, sagt Knudsen. »Was willst du sagen, Jonas?«
»Du glaubst, der Richtige zu sein, anderen Menschen Ratschläge über ihre Ehe zu erteilen?«
»Jonas!«, sagt Katriina.
»Was?«
»Sie haben ihr Kind verloren«, zischt Katriina.
»Also, im Augenblick geht es nicht um meine Ehe«, sagt Knudsen.
»Der Mann im Glashaus wirft mit
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