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Liberty: Roman

Liberty: Roman

Titel: Liberty: Roman Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Jakob Ejersbob
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Tansania. Ich weiß wirklich nicht, was ich den Leuten erzählen soll.
    Erste Stunde Englisch. Der Lehrer zeigt auf mich.
    »Weißt du, was das bedeutet?«, fragt er.
    »Was?«
    »Was auf deinem T-Shirt steht?« Ich blicke an mir hinab. BLACK UHURU – geschrieben in den Farben der äthiopischen Flagge: rot, gelb und grün auf einem schwarzen Hintergrund, die Buchstaben umschlungen von weißem Stacheldraht.
    »Das ist eine Reggae-Band aus Jamaica«, antworte ich.
    »Ja, aber weißt du, was uhuru auf Swahili bedeutet?«
    »Nein«, lüge ich. Afrika hat mich braun gebrannt, und ich kann auf fünfzig Meter Abstand riechen, dass die Dänische Assoziation für internationale Zusammenarbeit ihn ausgeschickt hatte, um den Neger vom weißen Mann zu erlösen.
    »Freiheit«, sagt er. »Schwarze Freiheit.«
    »Aha«, erwidere ich, und er fängt an, über Reggae, Rasta und den Kolonialismus zu predigen.
    Ich höre ständig Reggae. Ich kaufe LP s statt Lebensmittel. Esse Spaghetti mit Ketchup.
    Mutter ist in Genf, dort hat sie irgendeine organisatorische Arbeit für Ärzte ohne Grenzen übernommen. Sie ruft an, um sich zu erkundigen, wie es mir geht. Ich sage, dass ich Geld brauche.
    »Was machst du denn damit?«
    »Hin und wieder will ich mir auch mal ’ne LP kaufen«, sage ich.
    »Aber Christian«, sagt sie.
    »Es ist doch nicht meine Schuld, wenn ihr so viel verdient, dass ich keine Ausbildungsförderung bekomme.«
    »Dann musst du dir einen Nebenjob suchen.«
    Es gibt viele merkwürdige Aufgaben im Leben. Als ich das erste Mal meine Sachen wasche, hat alles Weiße einen blaugrauen Ton, und viele der farbigen Sachen sind hinterher zu klein. Glücklicherweise bekomme ich ein Päckchen von Marcus. Garvey Dread steht auf dem Absender. Tee aus Tansania. In den Päckchen ist Arusha- bhangi , verpackt in Zellophan. Und ein Bettelbrief. Er braucht einen Kassettenrekorder oder neue Tonköpfe für den, den er hat. Er schreibt, er würde fast vor Hunger sterben. Im Augenblick kann ich ihm nicht helfen.
    Ich bekomme keine Briefe von Samantha. Auch nicht von Panos oder Jarno. Eine Postkarte von Shakila. Sie vermisst mich, schreibt sie. »Ich bin jetzt auf der Universität von Dar und studiere und arbeite vierundzwanzig Stunden am Tag.«
    Im Gymnasium rauche ich Zigaretten und bin stumm – das ist mein Image. Ich habe Musik als Zusatzfach.
    »Ich spiele Schlagzeug«, sage ich. Unerschütterlich wie ein Felsen. Und ich kann Reggae-Rhythmen spielen – das kann keiner sonst. Hinterher kommt ein Typ auf mich zu. Anders. Er spielt Bass.
    »Das klingt ziemlich gut, was du da machst«, sagt er.
    »Danke.« Ich biete ihm eine Zigarette an. Er fragt, ob ich am Wochenende mitkäme, um etwas zu trinken. Ja, klar, sehr gern. »Aber viel Geld habe ich nicht«, sage ich.
    »Da mach dir man keine Sorgen«, erwidert Anders.
    »Wieso nicht?«
    »Es gibt Methoden«, antwortet er.
    Donnerstag kommt er in der großen Pause auf mich zu. Ich habe nichts zu essen dabei.
    »Lass uns verschwinden«, sagt er.
    »Okay.« Ich folge ihm. »Ich habe bis zum Sommer in Afrika gelebt. Viereinhalb Jahre.«
    »Was?«
    Ich erkläre es ihm.
    »Irre, Mann«, sagt er. »Das hast du aber gut für dich behalten. Gehen wir zu mir und rauchen ’ne Tüte?«
    »’ne Tüte?«
    »Hasch«, sagt er. Komprimiertes bhangi , ich habe davon gehört.
    »Okay«, stimme ich zu. Er wohnt im Skelagergaarden, einem sozialen Wohnungsbaugebäude, ein paar hundert Meter vom Gymnasium entfernt. Wir gehen hinüber. Er wohnt zusammen mit seinem Vater, einem Sozialrentner, erzählt er.
    »Seine Gesundheit hat er sich in der Eternit-Fabrik versaut«, berichtet Anders. »Er sitzt zu Hause in der Küche und legt Puzzlespiele in der Größenordnung von dreitausend bis viereinhalbtausend Teilchen. Wenn er mit einem fertig ist, klebt er es auf ein Stück Karton und hängt es im Wohnzimmer an die Wand. Vollkommen kaputt vom Stesolid.«
    Wir kommen in den vierten Stock. Tatsächlich sitzt der Vater mit einem Puzzlespiel in der Küche. Ausgezehrt. Wir gehen in Anders’ Zimmer, und er holt seinen Tabaksbeutel heraus.
    »Was ist mit deiner Mutter?«, erkundige ich mich. Er schnaubt.
    »Wir wohnen alle hier draußen. Meine Mutter wohnt in einer Wohnung mit meiner kleinen Schwester, ihrem neuen Mann und dessen Tochter aus einer anderen Ehe. Die Tochter aus seiner ersten Ehe wohnt hier in einer Wohnung mit ihren beiden Kindern, und ihr geschiedener Mann wohnt in einer dritten Wohnung. Und die jüngere Schwester

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