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Liberty: Roman

Liberty: Roman

Titel: Liberty: Roman Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Jakob Ejersbob
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muss.«
    »Was?«
    »Ich … Katriina und ich haben geheiratet.« Seine Stimme kommt mit dem Satelliten-Echo, die Sätze werden zerhackt, die Endungen verschwinden.
    »Aha. Okay«, sage ich.
    »Christian – du musst verstehen … es ist nicht …« Vielleicht kann er auch nur nicht sagen, was er sagen will.
    »Es ist nicht was?«, frage ich nach.
    »Es ist nicht … Nun ja, sie war allein mit den Mädchen. Solja und Rebekka.«
    »Ja, und?« Ich weiß, wie die Mädchen heißen.
    »Sie hat zu Hause niemanden, zu dem sie kann, und sie hat auch nicht die Mittel, um die Schule zu bezahlen.« Habe ich zu Hause jemanden? Ich beginne zu zweifeln.
    »Also habe ich jetzt zwei Halbschwestern«, sage ich.
    »Ja, aber du musst nicht …« Die Verbindung knistert heftig. Es rauscht in der Stratosphäre.
    »Das ist völlig okay, Vater. Es ist, wie es ist. Aber kannst du nicht …«, setze ich an. Doch plötzlich ist das Telefon in meiner Hand tot. Fuck. Ich wollte ihn um ein bisschen Geld bitten, Vater hätte in dieser Situation nachgegeben: Schließlich hat er mir gerade eine Stiefmutter verehrt, deren Mann unter mysteriösen Umständen gestorben ist.
    Ich höre nichts von Mutter. Sie ruft einmal an, sagt aber nichts. Vielleicht weiß sie nicht einmal, dass Vater Katriina geheiratet hat. Ich erzähle ihr auch nichts, denn das geht sie nichts an.
    Ich vermisse es, mich mit jemandem aus Tansania zu unterhalten. Fühle mich seltsam fremd. Denke an Nanna, die mir auf der TPC meine Unschuld nahm, bevor ihre Familie zurück nach Dänemark ging – vor zweieinhalb Jahren. Ich rufe ihre Eltern an und erfahre, dass Nanna aufs Gymnasium geht. Eines Nachmittags ist sie am Telefon.
    »Ich bin Freitag in Århus«, sage ich. »Ich dachte, vielleicht könnten wir uns sehen?«
    »Da kann ich nicht. Ich muss was erledigen, ich habe wirklich keine Zeit.«
    »Na ja, vielleicht ein andermal.«
    »Kann schon sein – ich weiß es nicht«, sagt Nanna. Sie fragt nicht nach meiner Nummer, oder was ich gerade mache.
    »Okay. Hej.« Okay, sie werde ich also nicht wiedersehen.
    Wieder ein Bettelbrief von Marcus. Ich esse schlechtes Essen und laufe mit löchrigen Hosen herum, aber ich bin weiß. Das Geld wächst in Europa auf den Bäumen, das wissen alle Afrikaner. Kein Ton von Samantha. Shakila schreibt mir, Samantha sei krank gewesen und hätte die Schule verlassen, aber jetzt wäre sie wieder da. Aber sie sprechen nicht miteinander, weil Shakila mit Stefano zusammen ist. Ich würde sie gern sehen. Nächsten Sommer – er kommt ja bald.
    Am Abend gehe ich mit Anders ins Rock Nielsen. Wir sehen uns die Mädchen an. Ich weiß nicht, was ich zu ihnen sagen soll, wenn sie so weiß und fröhlich sind. Anders hat ein bisschen Geld. Er kauft uns Bier. Wir trinken, beobachten die Leute. Anders reicht mir ein drei viertel volles Glas Bier und blinzelt mir zu. Er ist extrem gut darin, das Bier anderer Leute vom Tresen oder den Tischen zu klauen. Wir sind ziemlich schnell betrunken.
    »Jetzt kann ich nicht mehr«, sagt er. »Wenn ich angetrunken bin, geht es schief, dann bemerken sie es.« Wir sind fast pleite, darum gehen wir, schlendern über die Fußgängerzone in die nächtliche Dunkelheit.
    »Wollen wir nicht nach Hause fahren?«, frage ich ihn und denke an das Moped, mit dem wir in die Stadt gekommen sind.
    »Ja, lass uns nur noch kurz bei McDonald’s vorbeigehen.«
    »Hast du Hunger?«
    »Nein.«
    »Was dann?«
    »Ich will sehen, ob meine Schwester dort ist.«
    Am Nytorv biegen wir um die Ecke. Linda steht mit einer Freundin vor dem McDonald’s – sie sehen gut aus, aber ein wenig überschminkt. Linda scheint sich zu erschrecken, als sie Anders auf sich zukommen sieht. Er packt sie. »Du kleine Nutte«, sagt er und gibt ihr eine schallende Ohrfeige.
    »Lass das, du dummes Schwein!«, kreischt die Freundin und schlägt mit ihren kleinen Fäusten auf ihn ein. Ich bin stehen geblieben – fassungslos.
    »Hej«, höre ich hinter mir, und eine Gruppe von drei Männern taucht auf und greift sich Anders, der einen Schlag in die Magengrube bekommt.
    »Verflucht noch mal, man schlägt keine Mädchen«, sagt einer der Männer.
    »Das hast du nun davon!«, schreit Linda und läuft mit ihrer Freundin davon.
    »Das ist meine beschissene kleine Schwester«, stöhnt Anders. Sie schlagen ihn noch einmal, und ich stelle mich hinter den, der Anders’ Arme festhält. Als ich seinen Arm zurückziehe, weiß ich, dass ich Angst haben müsste, doch es ist der Alkohol, der mich

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