Liberty: Roman
ich das Licht abschalte, schlafen sie. Eingeschaltet. Fressen. Statt nach drei Monaten kann ich sie bereits nach acht Wochen Wachstum verkaufen. Ich gebe ihnen eine Futtermischung mit verschiedenen Kornsorten, Chemikalien, Vitaminen, Kalk und Salz – alles vermischt und vermahlen mit zerstoßenen Gräten und kleinen Fischen. Erst eine fein gemahlene Mischung, dann eine gröbere.
Nach zwei Wochen impfe ich die Küken gegen Krankheiten, indem ich antibiotische Chemikalien ins Wasser schütte. Zwei Wochen später wiederhole ich die Prozedur mit einer anderen Medizin. Der Züchter der kleinen Küken hat mir Instruktionen gegeben: Wenn ihre Immunabwehr zu schwach ist, bekommen sie dawa ya kuku – eine einheimische Hühnermedizin, die aus zerstoßenen Aloe-Vera-Blättern besteht, die mit Wasser vermischt werden. Es schmeckt nicht gut, deshalb gebe ich ihnen zunächst Futter, das mit fein gemahlenem pili-pili kichaa vermischt ist, das heißt mit Wahnsinnspfeffer – winzigen Chilischoten, die ungefähr ein Zentimeter lang sind. Wenn die Hühnchen richtig Hunger haben, fressen sie das scharfe Futter, doch das Wasser habe ich bereits entfernt und durch den Aloe-Vera-Juice ersetzt. Der wahnsinnige Durst lässt sie die unangenehme Flüssigkeit trinken. Und blitzschnell ist ihre Immunabwehr Spitze. Manche sagen, dass die wazungu- Frauen sich dawa ya kuku ins Gesicht schmieren, um eine hübsche Kinderhaut zu bekommen, aber das habe ich nie gesehen. Die Hühnchen wachsen und sind bald klar zum Grillen. Vielleicht bekomme ich den Auftrag eines Hotels und muss morgens fünfzig Stück abliefern. Ich gehe zu Tagelöhnern und sage: »Kommt morgen früh um fünf – ich habe fünfzig.« Ich bezahle einen kleinen Vorschuss. Sie kommen und fangen an zu arbeiten, stapeln im Garten hinter dem Haus Holz für ein Feuer, darüber ein großer Kessel mit kochendem Wasser. Sie schlachten und tauchen die Hühnchen ins Wasser, ziehen sie wieder heraus, rupfen die Federn aus und – man könnte kotzen bei dem Gestank – nehmen die Hühnchen aus. Sie packen sie in eine Plastiktüte und verknoten sie. Wenn es fünfzig sind, um acht Uhr mit einem Taxi, direkt zum Hotel, zum Supermarkt oder wo auch immer hin.
SCHULDIG
Das Reihenhaus ist gut, der Kiosk läuft, jeder Schilling ist ausgegeben, um das Hühnerhaus zu bauen und Hühnchen zu kaufen. Alles ist investiert, ich esse Maisgrütze, während ich darauf warte, dass die Dinge sich entwickeln. Aber schon jetzt hat mein Einsatz einen großen Splitter in die Augen der Nachbarschaft gepflanzt. Wenn ein Afrikaner anfängt, Erfolg zu haben, wollen alle ein Stück seines Arsches. Wenn er sich mit seinem Auto davonstiehlt, hält ihn die Polizei wegen zu schnellen Fahrens an. Wie willst du ihnen widersprechen? Ich habe jetzt angefangen, und alles, was ich unternehme, ist legal. Doch der Boss von National Housing droht mir ganz direkt, mich rauszuschmeißen, weil meine Trockenschnur schief hängt.
»Du darfst deinen kapitalistischen Kiosk nicht in unser Gebiet stellen«, sagt er. Aber die Frage ist nicht der Kiosk. Die zugrunde liegende Forderung ist Geld für seine Hand. Aber ich habe kein Geld.
Die Körper der Hühnchen haben erst die Größe einer Faust, aber bereits jetzt sind die ersten diesem Mann als Geschenk versprochen, bloß als Zeichen des Respekts und der Dankbarkeit, weil er mir in allen Bereichen des Lebens so behilflich gewesen ist – ich kann ihm gar nicht genug danken. Um an die Wohnung zu gelangen, bin ich den verdeckten Weg gegangen; um sie zu behalten, muss ich schmieren. Du musst schuldig werden, um in Tansania zu überleben.
Claire kommt eines Nachmittags an meine Tür.
»Ich brauche Geld für den Arzt«, sagt sie.
»Ich habe kein Geld.«
»Du hast mich dick gemacht. Jetzt musst du helfen.« Ich hole das Geld, das ich noch habe. Gleichzeitig sehe ich, wie mein alter verdreckter Vater auf den Kiosk zugeht.
»Pack deine Sachen«, sagt er zu meiner kleinen Schwester Ida. »Wir müssen los.«
»Ich muss Marcus helfen«, sagt sie.
»Nein. Wir kennen keinen Marcus«, sagt mein Vater.
»Aber … er ist mein Bruder.«
»Ich habe keinen Sohn, der Marcus heißt, also kann er auch nicht dein Bruder sein.«
»Aber Mutter hat gesagt …«, fängt Ida wieder an, aber eine Hand unterbricht sie. PAH – direkt ins Gesicht. Ich renne von meiner Veranda zum Kiosk.
»Du sollst sie nicht schlagen, du alter Idiot«, sage ich. Er versucht, mich zu schlagen. Ich packe seine Hand in der Luft
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