Bücher online kostenlos Kostenlos Online Lesen
Liberty: Roman

Liberty: Roman

Titel: Liberty: Roman Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Jakob Ejersbob
Vom Netzwerk:
fadenscheinigen Kleidern mit einem großen Netz ins Wasser gehen und fischen. Am Ufer stehen Kinder und halten Ausschau nach Krokodilen. Ich bin erleichtert über die Schule. Es lief gut.
    Hinterher gehe ich nach Hause. Vater ist daheim.
    »War klasse«, teile ich ihm mit.
    »Gut. Wollen wir uns deine Hausaufgaben ansehen?«
    »Okay«, sage ich und hole die Bücher. Vater hat noch nie Hausaufgaben mit mir gemacht. Wir sitzen am Esstisch. Ein sonderbares Gefühl. Ich erledige die Hausaufgaben, so gut ich kann. Es wird dunkel. Wir essen in der Messe und fahren noch eine Runde durch die Felder.
    »Achte auf Lichter, die am Himmel erscheinen«, sagt Vater.
    »Dort!« Ich zeige mit dem Finger darauf. Wir finden zwischen den Zuckerrohrstauden einen Feldweg und kommen zu dem Platz, an dem die Züge der Plantage mit dem Zuckerrohr beladen werden, das rund um die Uhr in die Fabrik transportiert wird. Unterbrochen wird nur, wenn die Maschinen gereinigt werden müssen. Wir schauen zu, wobei die Sterne hell und klar über unseren Köpfen leuchten und Fledermäuse durch die Luft flitzen.
Marcus
    DER ORGANISATOR
    Dieses Haus ist wahnsinnig. Das Hausmädchen lebt wie eine Königin – ständig bekommt sie von Jonas frei, während ich bis spät in die Nacht arbeite und auf Solja aufpasse. Der Rest ist im Moshi Club. Alle haben Hunger. Ich habe Hunger. Auch Mika und Solja haben Hunger. Hat jemand an Essen gedacht? Wer soll es machen? Also bereite ich es zu, ich habe es bei den Deutschen gesehen. Und Jonas kommt auf seiner großen Yamaha 350ccm zurück. Wir essen am Tisch. Er sagt: »Ich gehe. Das Essen schmeckt mir nicht.« Aber keine Erklärung, warum. Was will er stattdessen?
    Jeden Tag muss ich mich ständig nützlich machen. Die Weißen sollen es verstehen: Ohne Marcus sind wir in diesem schwarzen Land verloren.
    Der Garten ist langweilig anzusehen, also richte ich ihn mit Hilfe des Gärtners her. Erkläre ihm, wie er die Beete mit Blumen und Büschen bepflanzen soll. Und manchmal beteilige ich mich an der praktischen Arbeit, denn ein Chagga mag es, mit der Erde zu arbeiten. An meinem Ghetto habe ich Sonnenblumen, und als sie ein bisschen gewachsen sind, säe ich ein paar bhangi -Samen dazwischen, versteckt. Die bhangi -Pflanzen helfen, die Mücken zu vertreiben. Ich vereinbare mit dem Wachmann, dass er daran denken soll, sie spätabends zu gießen, wenn es Wasser gibt. Dass er Bescheid weiß, ist kein Problem, denn der Wachmann raucht jede Nacht. Sie wachsen rasch. Bald kann ich ernten.
    Merkwürdigkeiten gibt es hier jeden Tag. Katriina will ihr Kind im KCMC bekommen. Sie hat keine Angst vor dem einheimischen Krankenhaus, denn es gibt dort auch weiße Ärzte. Doktor Freeman aus Australien soll ihr Baby holen. Er kommt ins Haus. Ins Wohnzimmer. Während Jonas auf einem Stuhl sitzt, hat sich Katriina aufs Sofa zu legen; der Arzt zieht ihr T-Shirt hoch, berührt sie überall am Bauch und horcht mit einem sonderbaren Kopfhörer. Er hat einen Rüssel, den er ihr auf den Nabel legt.
    DREADLOCK
    Auf der ISM hat Mika Alwyn getroffen – er ist der Sohn eines großen Chagga-Bauern, der eine riesige Farm im Westen des Kilimandscharo hat. Er hält Kühe, die Milch für eine hoffnungslose Käseproduktion geben, und er baut Weizen für die Brauereien an. Sein Sohn Alwyn lässt sich Dreadlocks auf dem Kopf wachsen, er glaubt, er sei ein Rastafari, und raucht eine Menge bhangi .
    Ich halte Alwyns Löwenmähne für Ketzerei – Bob Marley ist Freiheitskämpfer, Alwyn ist lediglich Papas verzogener Junge.
    Auf der Farm seines Vaters sät Alwyn weit entfernt vom Haus Samen in die Erde, und die Pflanzen sprießen in der Regenzeit. Alwyn verkauft bhangi an die wazungu -Jugendlichen auf der Schule, und Mika ist der größte Kunde. Jetzt kann Mika trinken und rauchen – Afrika wird für ihn zu einer Katastrophe. Nach Hause kommt er eigentlich nur noch, um zu schlafen. Nachmittags bleibt Mika in der Schule. »Ich treibe Sport«, sagt er zu Katriina. Abends fährt er in die Innenstadt. »Ich gehe ins Kino«, sagt er, oder »Ich mache Hausaufgaben mit Alwyn.« Denn Alwyn wohnt bei einer Tante in der Innenstadt, um die Internatskosten zu sparen. Sie machen keine Hausaufgaben. Mika kommt spät nach Hause, mit flackernden Augen vom bhangi -Rauchen, aber die Erwachsenen merken nichts.
    Eines Abends blättere ich in europäischen Magazinen mit Menschen in feinen Kleidern, die in feinen Häusern mit feinen Möbeln wohnen. Solja schläft gut, und die Eltern

Weitere Kostenlose Bücher