Liberty: Roman
bremst und lässt den Motor im Leerlauf laufen. Ich nicke kurz, greife nach dem Winston-Päckchen auf der Ablage und steige aus. Er fährt. Die Tür zur Rezeption ist geschlossen, ich setze mich in einen Sessel auf der Veranda. Rauche. Schon bald taucht die portugiesische Eigentümerin auf. Sie macht einen verhärmten Eindruck. Geflüchtet vor der Unabhängigkeit in Angola. Sie gibt mir einen Schlüssel. Ich finde das Zimmer im hinteren Gebäude. Es hat einen Betonfußboden, eine weiß gestrichene Decke aus Pappmaschee-Platten und nackte, schmutzig gelbe Wände. Das Moskitonetz vor dem Fenster ist voller Löcher und Staub. Die Fensterbretter sind verdreckt, ebenso die Gitterstäbe und die dunklen Gardinen. Die Schaumgummimatratze ist in der Mitte eingedellt. Ich spüre jede Lamelle des Rahmens an meinem Rücken. Eine leere Fassung hängt an einem Rest Leitung von der Decke. Eine andere leere Fassung kommt aus der Wand über dem Bett. Ich liege auf dem Bett und starre an die Decke. Stehe auf und gehe auf die Toilette, in der es aus den Flanschen des Abflussrohrs am Waschbecken tropft. Das Handtuch ist ausgefranst und hat eine undefinierbare Farbe, riecht aber ein wenig nach Waschpulver. Endlich fangen die Schatten an, lang zu werden. Ich finde ein indisches Restaurant. Esse etwas. Trinke Bier und Konyagi. Gehe zurück zum Paradise Guesthouse.
Ich habe nicht genug getrunken, um ohnmächtig zu werden. Ich setze mich auf den Stuhl und rauche eine Sportsman – Nummer vierzig heute. Drücke sie in einem schwarzen, gesprungenen Porzellanaschenbecher aus, der für Black&White wirbt. Öffne in der Dunkelheit ein weiteres Päckchen. Zwinge mich, eine Zigarette nach der anderen zu rauchen. Lege mich wieder hin. Ich schwitze mit dem Laken über mir und friere, wenn ich es abziehe.
Am nächsten Morgen gehe ich auf den Berg.
Der Weg wird schlechter, je höher ich komme. Irgendwann teilt er sich – rechts geht ein Weg ab zum Gebäude der Post in der Nähe des Gipfels. Ich gehe nach links in Richtung Morningside. Der Weg ist zugewachsen und schließlich nur noch ein Pfad. Jarno hat mir erzählt, dass man noch vor zehn Jahren mit einem Geländewagen bis zum Gipfel fahren konnte. Die Böschung neben dem Pfad versperrt die Aussicht, als ich mich zum Gipfel über der Schlucht vorarbeite, an deren Ende Morningside liegt. Nach einer Ecke habe ich das Gebäude vor mir. Ein Backsteinhaus, das auf einem kleinen Plateau mitten in all diesem Grün liegt. Auf der Erhebung darüber sehe ich eine Gruppe gigantischer Zypressen, die sich merkwürdig losgelöst und majestätisch zum Himmel recken. Ich erreiche das Haus aus dem Jahr 1911. Es steht noch, wirkt aber verfallener als bei meinem letzten Besuch.
Ich setze mich einen Moment, fühle mich innerlich krank. Dann beginne ich die steile Klettertour hinauf zu den großen Zypressen. Von dort kann ich über den Rand des Regenwaldes sehen, der sich seit dem letzten Mal ein Stück zurückgezogen hat. Der Boden ist bis oben bestellt. Ich will an den Rand, will in der kühlen Dunkelheit stehen, inmitten der schweren Gewächse. Ich breche auf, um dorthin zu gelangen. Ein Pfad schlängelt sich den kleinen Bach entlang, der vom Regenwald herunterfließt, an Morningside vorbei. Hier gibt es Maisfelder und eine Menge Wirsingkohl.
Ich sehe keinen Menschen, bis ich einen jungen Mann bemerke, der mir vom Waldrand aus zuwinkt. » Njoo !«, ruft er. » Karibu sana «, ich soll kommen. Ich bin willkommen. Er steht oberhalb des Feldes und des Baches neben einer niedrigen Hütte aus Rohr und einem Dach aus Palmblättern. Ein Stück weiter steht eine kleinere Hütte – seine Toilette. Ich klettere auf Händen und Füßen an der Grenze zwischen Feld und Regenwald zu ihm hinauf.
» Mambo. Vipi ?«, frage ich in Straßen-Swahili – hej, wie geht’s.
» Poa «, erwidert er lächelnd und streckt die Hände aus, damit ich seine Handflächen abklatschen kann – es geht gut. Wir lachen uns an.
»Ist das dein shamba ?«, erkundige ich mich.
»Ja«, antwortet er mit einer Armbewegung und zeigt, wie weit sich sein Feld erstreckt – ein kleiner Morgen Land. »Ich habe die Erde selbst gerodet, damit ich etwas anbauen kann. Kohl, Mais, Bohnen, Tomaten, Karotten. Bald werde ich Passionsfrüchte pflanzen.« Ich mache ihm ein Kompliment für seine Felder. Sie sehen gut aus, obwohl sie illegal angelegt sind. Er hat ein Stück befriedeten Regenwald gerodet. Aber was soll er machen? Der Rest des Bodens ist verteilt. Er
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