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Liberty: Roman

Liberty: Roman

Titel: Liberty: Roman Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Jakob Ejersbob
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Diskotheken checken.
    »Wir können uns am YMCA ein Taxi nehmen«, schlägt Marcus vor.
    »Lass uns doch einfach zu Fuß gehen«, sage ich, denn wir haben viel Zeit, und ich mag es, nachts in Moshi herumzulaufen. Weil es so dunkel ist, obwohl man sich mitten in einer Stadt befindet; es gibt so gut wie keine Straßenbeleuchtung.
    »Es ist nicht sonderlich sicher.«
    »Wurden Leute überfallen?«
    »Manchmal.«
    »Das passiert überall auf der Welt. Ist es schlimmer als früher?«
    »Ja«, behauptet Marcus. »In Majengo würden sie nachts sogar einen Mann vergewaltigen. Aber aus ’nem Arsch soll was herauskommen und nichts hineingesteckt werden.«
    »Okay, aber wir wollen ja nicht nach Majengo.« Also gehen wir weiter. Es ist bei Marcus auch eine Frage der Haltung. Wir nehmen ein Taxi – ich bezahl’s ja. Und den Eintritt. Wir trinken ein Bier an der Bar – ich bezahle. Ich bin weiß, ergo habe ich Geld. Aber ich habe nicht besonders viel – allzu lange reicht es nicht mehr. Trotzdem sehen alle in mir eine wandelnde Brieftasche, die geöffnet oder zum Altar gezerrt werden muss. Als ich hier gewohnt habe, war ich ein großer Junge, ein Passagier meines Vaters: Alle wussten, dass ich selbst kein Geld hatte. Wir begegneten uns auf Augenhöhe. Hingen miteinander herum, weil wir Lust dazu hatten. Aber jetzt wollen alle beim weißen Mann mitfahren.
    Der weiche pulvrige Staub auf der sonnenverbrannten Erde. Der Geruch nach getrockneten Pflanzen. Samtwarme Dunkelheit auf der Haut. Mir gefällt es.
    »Hast du gehört, dass Rogarth von der TPC im Moshi Hotel ist?«, fragt Marcus.
    »Rogarth? Nein. Ich habe den Kontakt zu ihm verloren. Ich dachte, er sei im Ausland, um zu studieren.«
    »Wenn die reichen Eltern zugrunde gehen, müssen die Kinder leiden.«
    »Sind seine Eltern abgestürzt?«
    »Ja.« Marcus erzählt, dass Rogarths Vater wegen Korruption eingesperrt wurde, kurz nachdem die TPC 1985 eine tansanische Leitung bekam – kurz nachdem ich aus der Schule geschmissen wurde.
    Bereits von Weitem sehe ich Rogarths hagere Gestalt, er lehnt an der Mauer der Treppe, die zur Terrasse des Moshi Hotels führt. Er trägt schwarze geputzte Schuhe, eine dunkle Gabardinehose und ein eng sitzendes violettes Nylonhemd. Die Hände in den Hosentaschen, ein Bein eingeknickt, mit der Schuhsohle an der Mauer, macht er einen entspannten Eindruck. Als ich näher komme, sehe ich allerdings, dass seine Kleidung nicht ganz neu und das Haar ungepflegt ist – nicht so wie früher. Und das Entspannte seiner Haltung wird durch sein Gesicht ins Gegenteil verkehrt: Die Haut spannt sich über den Schädel, und auf seinem Gesicht zeigen sich harte, glänzende Flächen.
    »Rogarth!«, rufe ich. Er wendet den Kopf. Bedenkt mich mit einem kühlen Blick, der in Verwunderung übergeht, dann leuchtet sein Gesicht auf.
    »Christian!« Er stößt sich von der Mauer ab, breitet die Arme aus, lächelt breit, umarmt mich fest und klopft mir auf den Rücken. Aber ich sehe auch den gehetzten Ausdruck in seinem Gesicht.
    »Wie läuft’s denn so?«, erkundige ich mich, als er nach meinen Fingern greift. Er hält sie, während wir reden – afrikanische Art.
    »Alles okay«, antwortet er. »Und was machst du hier?«
    »Ich bin runtergekommen, um meinen Vater zu besuchen. Und Marcus. Und jetzt dich.«
    »Gut, gut. Wie lange?«
    »Das weiß ich noch nicht.«
    »Wir müssen uns mal sehen. Vielleicht morgen.« Sein Blick flackert über die Straße; ein Auto kommt und biegt in eine der Parkboxen vor dem Hotel.
    »Klar. Aber was ist mit dir? Was treibst du zurzeit?«
    »Wollt ihr da rein?«, fragt Rogarth und zeigt hinter sich aufs Moshi Hotel. Ich nicke. »Gut. Dann treffen wir uns später drinnen. Im Augenblick habe ich ein paar Dinge zu regeln.« Er lässt meine Hand los und geht auf den Mann aus dem Auto zu, Anfang vierzig, Anzug, gedrungen und dick. Geschäftsmann oder öffentlicher Angestellter, korrupt.
    »Lass uns reingehen«, schlägt Marcus vor, während ich Rogarth sagen höre: » Shikamoo mzee . Kann ich Ihnen heute Abend irgendwie behilflich sein?«
    Oben auf der Treppe bezahle ich für uns beide. Wir betreten die gut besuchte Terrasse. Die rechte Tür zur Tanzfläche und der Bar steht offen, Musik pulst heraus, der Sound ist ausgezeichnet. Nicht diese schnarrenden Lautsprecher, die man in kleineren Bars hört. Wir finden einen Tisch im Freien, eine Kellnerin nimmt unsere Bestellung entgegen und kommt kurz darauf mit Bier zurück. Rogarth erscheint mit dem

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