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Liberty: Roman

Liberty: Roman

Titel: Liberty: Roman Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Jakob Ejersbob
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den Knien von Claire, die Rosies Haar in feine schmale Cornrows flicht.
    »Mach noch mehr«, sagt Rosie zu Edson, der sofort anfängt, Rad zu schlagen, und seine Übungen mit einem Salto mortale und Liegestützen auf einem Arm abschließt. Ja, er ist sehr akrobatisch und will Rosie mit dieser Kraft imponieren, tsk . Die Mädchen kichern, und Claire flüstert Rosie irgendetwas ins Ohr, dann lacht und klatscht sie. Ich setze mich neben Nechi auf die Treppe, biete ihm eine Zigarette an.
    »Dein Haar wird schön«, sage ich zu Rosie. Sie schaut mich an. Ich stecke die Hand in die Tasche. »Ach ja, ich habe das Band für dich dabei«, sage ich ziemlich lässig und gebe ihr die ABBA -Kassette.
    »Ohhh«, sagt Rosie und küsst mich auf die Wange. »Danke, Marcus.«
    »Das war doch nichts«, sage ich. Edson hat aufgehört, Rad zu schlagen, und sieht Rosie an – er sieht müde aus.
    »Fährst du mich nach Hause, Marcus?«, fragt Rosie.
    »Ja, natürlich«, sage ich und starte die Maschine. Eeehhh , es ist fantastisch, wenn sie ihre Arme um meinen Bauch schlingt.
    BODENLOS
    »Marcus!«, ruft der Gärtner. »Deine Mutter ist gekommen, um dich zu besuchen.« Was? Ich komme aus meinem Ghetto, und meine Mutter steht in ihrem Kirchenstaat vor mir, meine jüngste Schwester auf dem Rücken.
    »Was machst du hier?«
    »Ich wollte nur mal sehen, ob es meinem großen Sohn gut geht.«
    »Mir geht es gut. Jetzt kannst du wieder gehen«, sage ich. Ich werde ihr nicht einmal einen Stuhl anbieten. Sie schaut auf die Erde. Jetzt kommt es.
    »Du musst mir helfen – ich brauche Geld, um Essen für die Kinder zu kaufen.«
    »Es sind nicht meine Kinder. Du musst mit deinem Mann reden – es ist sein Job, Geld zu beschaffen.«
    »Aber er hat seine gute Arbeit verloren und findet keinen anderen Job«, sagt Mutter.
    »Niemand will einen Fahrer, der besoffen ist.«
    »Aber die weißen Menschen. Du hilfst ihnen. Sie haben viel Geld.«
    »Es ist ihr Geld – nicht meins.«
    »Aber du kannst ein wenig bekommen. Sie müssen verstehen, dass du deiner Familie helfen willst.«
    »Sie bezahlen mein Essen und meine Schule und geben mir eine Unterkunft. Nicht, damit ich sie um Geld für die Sauferei meines Vaters anbettele.«
    »Was haben sie für dich getan? Sie lassen dich im Stich. Sie reisen ab, genau wie die Deutschen. Wir sind deine Eltern«, sagt Mutter.
    »Ja, ich weiß. Jede Nacht muss ich auf dem Bauch schlafen, sonst spüre ich die vernarbte Haut, die mein Vater auf meinem Rücken hinterlassen hat.«
    »Was soll ich bloß tun?« Mutter fängt an, wie bei einem Begräbnis zu weinen.
    »Ihr habt euer shamba «, sage ich, denn sie haben ein gutes Feld in den North Pare Mountains, wo Land billig ist – Essen für die Familie und ein wenig zum Verkauf.
    »Er hat das Land verkauft, um zu trinken.«
    Ich frage sie nach ihrer Familie in dem Dorf in den Bergen.
    »Sie haben keinen Platz für uns.«
    Das ist richtig. Der Berg ist überschwemmt von Chaggas, denn nachdem die weißen Missionare hier vor über hundert Jahren waren, sterben die Babys nicht mehr – fast alle Kinder leben, bis sie groß sind und selbst noch mehr kleine Chaggas produzieren können. Weiße Medizin hält den Tod ab, und die weißen Missionare hat es immer ins Hochland gezogen. Das Flachland ist heiß, aber der Berg ist kühl wie das weiße Land.
    Aber wenn ein Chagga zehn Kinder bekommt und alle überleben, dann muss sein Land durch zehn geteilt werden. Schließlich hat jede Familie lediglich eine Briefmarke, nicht groß genug für eine halbe Kuh, und die Klugen kaufen von den Dummen, und plötzlich ist da ein Mann wie mein Vater: ein Chagga ohne Land auf dem Berg, pfffiii . Er ist nichts, muss den Berg verlassen, ins Land gehen. Nun kann ihm nicht mehr von der Familie geholfen werden, denn alle haben sich zerstreut – und wer will schon einem versoffenen Chagga helfen, der nicht einmal auf seinem eigenen Land steht, sondern wie eine Schlange durch den sengenden Staub des Flachlands kriechen muss.
    Ich gebe meiner Mutter das Geld, das ich habe – und schicke sie fort.
Christian
    Fußballtraining. Jarno zeigt in die Runde.
    »Der Mulatte heißt Panos – halbgriechischer Verteidiger. Stefano ist Italiener – General des Mittelfelds. Baltazar, der Blauschwarze da, ist Flügelstürmer, der Sohn des angolanischen Botschafters. Und dann haben wir noch den Araber, Sharif – Libero.«
    »Und du selbst?«
    »Mittelverteidiger«, antwortet Jarno. Nach dem Training gehe ich mit ihm und

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