Liberty: Roman
Panos zum Fluss, um Zigaretten zu rauchen und über Mädchen und Musik zu reden.
Vater holt mich am späten Nachmittag ab.
»Glückwunsch«, wünscht er.
»Wozu?«
»Deine kleine Schwester wurde getauft.«
»Okay«, erwidere ich und lächele. »Und wie heißt sie?«
»Wir haben uns für Annemette entschieden«, sagt Vater.
»Geht es ihnen gut?«
»Ja, ja«, antwortet er. »Deine Mutter freut sich, zu uns zu kommen.« Wir fahren von der Schule zu Larssons. Vater will mit Jonas über eine Tour in den Arusha Nationalpark sprechen. »Wir müssen jetzt auf Safari gehen, bevor deine Mutter kommt. Man kann die verdammten Wege nicht mit einem Baby fahren«, erklärt Vater. Und Jonas bekommt bald Besuch von einem Freund aus Schweden – Andreas –, der ebenfalls wilde Tiere sehen will. John und Miriam vom TPC sollen auch mitkommen, nur Katriina ist hochschwanger und wird zu Hause bleiben. Bei den Larssons ist Jonas nicht zu Hause.
»Er hat angerufen und gesagt, dass es später wird. Er kommt erst in ein paar Stunden«, sagt Katriina.
»Na, dann fahren wir besser nach Hause«, erwidert Vater.
»Nein, ihr könnt auch bleiben und mit uns essen.«
»Kann ich dann ins Kino gehen?«, frage ich.
»Natürlich«, erwidert Vater. Mika will gern mit ins Kino. Solja quengelt und will ebenfalls mitkommen, obwohl sie erst neun Jahre alt ist.
»Okay«, entscheidet Katriina und ruft Marcus – ich glaube, sie hat kein Zutrauen zu Mika. Vater fährt uns zum ABC Theatre an der Rengua Road; er gibt mir Geld, bevor er wieder losfährt. Wir gehen ins Foyer. Mika zündet sich eine Zigarette an, schaut auf uns.
»Ich hab keine Lust, mir den Film anzusehen«, erklärt er und geht wieder hinaus.
» Tsk «, zischt Marcus, »jetzt geht er in die Bar.« Wir kaufen Karten für die teuren Balkonplätze, wo die Sitze gepolstert sind. Der Film ist genial: Fluchtpunkt San Francisco .
»Der war blöd«, sagt Solja, als wir aus dem Kino kommen. »Der ist ja nur in einem Auto rumgefahren.«
Es war heftig: wie der Typ im Auto mit der Polizei Katz und Maus spielt. Marcus fand den blinden schwarzen Radio- DJ gut. Es ist spät, wir haben versprochen, Solja direkt nach dem Film nach Hause zu bringen. Wir laufen über den Arusha-Kreisel und gehen durch die kleinen bewohnten Straßen in Shanty Town, biegen dann auf den Weg hinter dem Haus, um uns durch das Loch im Zaun zu quetschen. Etwas weiter entfernt hält ein roter Toyota Land Cruiser auf der Straße. »Das ist unser Auto«, sagt Solja.
»Nein, ist es nicht«, sagt Marcus. »Es ist ein anderes.« Es gibt hier keine Straßenlaternen, aber er ähnelt ihrem Wagen, und es sieht fast so aus, als würde er ein wenig schaukeln, obwohl der Motor nicht läuft.
»Doch, das ist unserer«, behauptet Solja.
»Nein, eurer sieht anders aus.« Marcus versucht, überzeugend zu klingen. Ich weiß nicht, aber er gleicht Larssons Wagen. Es sind knapp hundert Meter. Marcus legt den Arm um Soljas Schulter: »Lass uns nach Hause gehen und eine Kleinigkeit essen.« Er versucht, sie auf die gegenüberliegende Straßenseite zu dirigieren, um auf das unbebaute Gelände hinter ihrem Haus zu kommen. Ein paar Einheimische haben dort Mais angebaut.
»Es ist unseres«, sagt Solja, schüttelt seinen Arm ab und läuft auf das Auto zu.
» Tsk «, zischt Marcus leise.
»Das ist doch ihres?«, frage ich ihn.
»Ssschhh«, flüstert Marcus. Solja hat den Wagen fast erreicht. Ihre Füße treten auf ein paar trockene Zweige am Straßenrand – Lärm; das Auto hört auf zu schaukeln, sie hört auf zu laufen. Stattdessen schleicht sie die letzten Meter vorsichtig über den Asphalt. »Es ist Jonas«, flüstert Marcus, »Solja darf ihn nicht sehen.«
»Im Auto?«
»Ja.« Ich hätte ihn beinahe gefragt, was Jonas im Auto macht, aber ich glaube, ich weiß es. Solja hat sich am hinteren Kotflügel in die Hocke gesetzt. Was können wir tun? Wenn wir sie rufen oder zu ihr gehen und sie wegziehen, hört es Jonas und weiß, dass wir Bescheid wissen. Und sie würde es auch wissen. Stille. Das Auto fängt wieder an zu schaukeln. Marcus bleibt regungslos stehen. Solja hockt jetzt neben dem Wagen am Straßenrand. Ich bin fast bei ihr. Vom entgegengesetzten Ende der Straße kommt uns ein Taxi entgegen. Marcus drückt sich in das Maisfeld, das zum Garten hinter ihrem Haus führt. Eher höre ich es, als dass ich es sehe. Aus dem Wagen dringt ein Stöhnen – eine Frau. Das Taxi nähert sich, Solja erhebt sich und presst ihr Gesicht ans
Weitere Kostenlose Bücher