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Liberty: Roman

Liberty: Roman

Titel: Liberty: Roman Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Jakob Ejersbob
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»Du könntest sie ja mal treffen. Sie hat eine lustige Tochter. Halima heißt sie.«
    »Aber sie ist nicht deine Tochter.«
    »Was ist nur mit meiner Familie los?«, frage ich.
    »Ihr kommt aus zwei verschiedenen Kulturen. Sie ist doch nahezu eine Analphabetin.«
    »Es ist nicht ihre Familie, von der ich rede. Du. Und Vater. Was zum Teufel ist nur mit euch los?« Mutter seufzt.
    »Verstehst du nicht, dass sie lediglich mit dir zusammen ist, um aus Tansania herauszukommen – weil du weiß bist?«
    Ich lache auf. »Und ich bin mit ihr zusammen, weil sie schwarz ist.«
    Mutter schüttelt den Kopf. »Warum bist du nur so?«
    »Das habe ich vermutlich geerbt.«
    »So dumm bin ich nie gewesen«, erklärt sie.
    »Am helllichten Tag in Mama Friends Guesthouse mit Léon – das war ein Ausdruck von Vernunft, was?« Sie zuckt zusammen, starrt mich an, wendet den Blick ab. »Was?«, sage ich noch einmal.
    »Das verstehst du nicht«, murmelt sie und schaut auf die Straße.
    »Doch, das verstehe ich schon. Was ich nicht verstanden habe, war, als Léon mich um meinen Rat gebeten hat.« Ich lasse sie zappeln. Sie beißt an: »Wozu?«
    »Er hat eine lange hypothetische Geschichte erzählt, über zwei Menschen, die sich lieben, aber die Frau wäre mit einem anderen Mann verheiratet, und was man da tun könnte.«
    »Das ist doch gelogen!«
    »Leider nein. Als ich ihn fragte, über wen er reden würde, sagte er, es ginge um ihn und Katriina.« Ich lache. Mutter schüttelt den Kopf, schaut mich nicht an. Ich setze nach: »Ich fand das Ganze schon ein wenig seltsam, bis ich Léons gebrauchtes Kondom im Mülleimer fand und du mich ins Gesicht geschlagen hast.« Mutter schnieft. Ist das ein Trick? »Also bitte, meine Idiotie ist ererbt. Ihr habt mir doch erst gezeigt, wie man zum Trottel wird.«
    »Weil dein Vater und ich … du musst doch nicht dein Leben zerstören, nur weil dein Vater und ich einige Probleme hatten.«
    »Mein Leben ist ganz und gar nicht zerstört. Und dir geht es doch gar nicht um mein Leben. Es ist dir einfach unangenehm, den Leuten erzählen zu müssen, dass dein Sohn ein Verlierer in Afrika ist.«
    »So ist das doch gar nicht.«
    »Annemette wäre natürlich ein weit besserer Mensch geworden.«
    »Hör auf«, flüstert Mutter.
    »Wenn du den Wagen nicht in den Graben gesetzt hättest.«
    Mutter steht auf – schreiend –, greift nach ihrem Glas und wirft es nach mir. Aber sie trifft nicht. Ich schaue sie nur an. Verlasse das Wohnzimmer, gehe hinunter in den Keller, höre ihr Schluchzen.
    Am nächsten Morgen stehe ich früh auf, gehe hinauf und leere ihr Portemonnaie. Verschwinde. Sie wird froh darüber sein. So hat sie sich einen Ablass erkauft.
    Fühle mich losgerissen von allem. Ich müsste in Tansania sein, aber es ist, als würde Tansania nicht mehr existieren. Und hier bin ich niemand – unsichtbar, anonym. Es ist schön, sich in der Menge zu verstecken, aber es ist auch erschreckend. Ich bin vollkommen egal hier, niemand braucht mich. Irgendwo in mir rumort der Druck des Geschäfts in Moshi, denn es gibt Dinge, die erledigt und geklärt werden müssen, wenn ich zurückkomme. Doch im Moment verstehe ich nicht, warum ich hier in Aalborg bin und dort unten ein vollkommen anderes Leben habe.
Marcus
    DAS SCHOKOLADENMÄDCHEN
    Ich sitze vor dem Blue Coffee am Markt im Schatten und trinke Kaffee. Ich sehe eine hübsche weiße Frau auf der anderen Straßenseite. Es ist … Tita? Ich schiebe meinen Stuhl weiter in den Schatten unter die Markise und lehne mich zurück, damit mich die Pflanzen verstecken, die rund um die Terrasse der Kaffeebar wachsen. Tita wird begleitet von einem kleinen Mädchen – in der Farbe von Milchschokolade. Es ist mein Kind, fünf Jahre alt. Fantastisch fein und sauber in einem kleinen geblümten Kleid und winzigen Sandalen. Tita sieht aus wie immer. Sie trägt eine Sonnenbrille, sehr weiß. Vielleicht ist sie hier, um Katriina zu besuchen. Tita sieht mich nicht. Ich stehe auf und gehe ihnen nach, ein Stück hinter ihnen. Das Schokoladenkind hat dunkle Haut, aber die Bewegungen sind die eines mzungu , so wie sie neben ihrer Mutter geht, aufrecht und ein wenig steif. Ich bleibe stehen. Verfolge sie mit meinem Blick, bis sie um eine Ecke biegen. Ich drehe mich um, gehe zurück, bestelle mir noch eine Tasse Kaffee, zünde mir eine Zigarette an. Ich setze meine Sonnenbrille auf, obwohl ich im Schatten sitze. Die Sonnenbrille hat nichts mit der Sonne zu tun – sie ist immer nur dazu da, die

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