Liberty: Roman
nehmen ein matatu nach Hause. Das Motorrad ist dort. Die Anlage ist dort. Ibrahim hat dafür gesorgt. Alle Hoffnung ist noch nicht verloren. Ich öffne die Ostermann-Transportkiste und hole meine Spiegelreflexkamera heraus. Überrede Rachel, sich ein hübsches Kleid anzuziehen, überrede sie, ein wenig Bein, ein bisschen Brust zu zeigen. Verschieße den Rest des Films und lege ihn in den Kühlschrank. Lege einen neuen Film ein, schlafe ein paar Stunden und fahre am späten Nachmittag zu dem Inder, der das Fotogeschäft auf der Mawenzi Road betreibt. Verkaufe ihm die Kamera viel zu billig, aber meine Möglichkeiten sind begrenzt. Die kleine Anlage wurde verkauft, um den Neustart im Royal Crown Hotel zu finanzieren. Es ging nicht gut. Jetzt habe ich bald nichts mehr zu verkaufen.
Am nächsten Tag sitze ich in einer Garküche in der Nähe des Immigrationsbüros. Warte. Lukas kommt, um Mittag zu essen. Er hat meinen Pass in seinem Büro.
»Ohne meine Kollegin kann ich mit dir nichts vereinbaren«, erklärt er.
»Ach, komm schon.«
»Du kannst gern ins Büro kommen«, erklärt er und zieht die Augenbrauen hoch.
»Okay, wir machen es so, wie du willst.«
»Ich will gar nichts«, erwidert er. Er hat meinen Scheißpass, und er will Geld. Es muss auf tansanische Art und Weise erledigt werden – ohne dass es direkt ausgesprochen wird. Ich atme tief durch, versuche, ruhig zu bleiben. Biete ihm eine Zigarette an, zünde mir selbst eine an.
»Trinkt ihr heute Abend ein Bier mit mir?«
»Vielleicht«, antwortet Lukas. »Wo bist du heute Abend?«
»In der Stereo Bar?«, frage ich, denn er entscheidet, wo ich heute Abend bin.
»Vielleicht«, sagt er. »Aber zuerst musst du im Büro erscheinen.«
Das Büro ist ein Witz. Bürohengste. Ich sitze auf einer Bank an der Wand. Es gibt eine Brüstung, dahinter stehen ein paar Schreibtische, an denen die Leute von der Einwanderungsbehörde Dinge erledigen, die wahnsinnig wichtig sind. Daher muss ich warten.
» Bwana Lukas hat viel zu tun«, bekomme ich zu hören. Ich sehe ihn, wie er in Unterlagen blättert, in einem Büro, das durch Trennwände mit großen Glasscheiben abgeschirmt ist. Lukas ist offenbar ein hohes Tier. Er wird teurer, als ich es mir leisten kann. Ich stehe auf, gehe an die Brüstung, spreche jemanden an. Sie sehen mich nicht einmal an. Jeder Schreibtisch steht voller Stempel. Jemand kommt an die Brüstung und redet mit mir, während er auf die Akte in seiner Hand blickt. Das ist keine Unterwürfigkeit, weil ich in der Klemme bin – er will lediglich betonen, dass ich seines Blickes nicht würdig bin. Das haben sie von den englischen Kolonialbeamten übernommen, so funktioniert die Tradition der Machtausübung: total herablassend.
Endlich werde ich ins Büro gerufen. Er lässt die Tür offen. Mir wird kein Stuhl angeboten. Seine Kollegin kommt herein. Er redet laut genug, um es die anderen hören zu lassen.
»Wir haben Kontakt zu den übrigen Behörden aufgenommen: zum Finanzamt und auch zum Büro der Regierungspartei. Du hältst dich hier ohne Arbeitserlaubnis auf. Aber dein Vater arbeitet mit unserem Land bei einem Projekt in Shinyanga zusammen. Die Diplomatie sagt uns also, dass wir mit deinem Vater und der dänischen Botschaft sprechen sollten, um zu sehen, ob wir das Durcheinander, das du verursacht hast, beseitigen können.«
»Du kannst mir auch einfach meinen Pass geben. Dann könnte ich gehen.«
»Du bekommt den Pass nicht, bevor wir nicht die Umstände dieser Situation geklärt haben«, erklärt er. »Wir werden dich wieder vorladen, wenn die Untersuchungen durchgeführt sind.« Lukas schaut in seine Papiere. Die Audienz ist vorbei. Ich denke an mein Reservekapital, die letzten Dollar, die ich von dem Verkauf der Tansanit-Steine in Kopenhagen noch übrig habe. Ich werde mich bald von ihnen verabschieden müssen, so oder so. Die Trockenheit zehrt an den Menschen.
Am Abend sitze ich ab neun in der Stereo Bar und halte mich an einem Bier fest. Ich weiß nicht, ob sie tatsächlich auftauchen werden. Ich habe dieses kleine Lokal mit der hohen Decke und den kleinen Sitzmulden zwischen den hohen, mit Mosaiken verzierten Betonsäulen immer gemocht. Jetzt warte ich bloß. Sie kommen.
»Setzen wir uns hinten hin«, schlägt Lukas vor. Ich folge ihnen in den Garten hinter dem Lokal, in dem Tische und Stühle stehen und Fleisch auf einem Grill gebraten wird. Ich bestelle Bier und nyama choma für uns. Nachdem serviert ist, kommen sie direkt zur
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