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Liberty: Roman

Liberty: Roman

Titel: Liberty: Roman Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Jakob Ejersbob
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habe ich den falschen Weg gewählt?
    SKLAVENMUSIK
    Mir fehlt ein Ratgeber für die weißen Methoden. Wen soll ich fragen? Aus der Zeit beim Pastor kenne ich eine amerikanische Missionarsfamilie, die in der Nähe des Uhuru Hotels wohnt. Sie haben keine Kinder, aber einen kleinen schwarzen Hund aus Amerika – langhaarig. Er kommt mit der Hitze nicht zurecht, also rasiert ihn der Mann einmal in der Woche; der Hund sieht dann aus wie ein gerupftes Huhn im Ofen.
    Ich habe wichtige Fragen, darum besuche ich den Amerikaner. Aber im Wohnzimmer bleibt mein Blick nur an der Hifi-Elektronik hängen, die mich hypnotisiert.
    »Kennst du die schwarze amerikanische Musik?«, fragt mich der Mann.
    »Ich kenne Boney M und Bob Marley.«
    »Bob Marley ist aus Jamaika, und Boney M sind miserabel«, sagt er. »Die schwarze amerikanische Musik ist vollkommen anders.« Und er holt eine Kassette – er hat eine ganze Kiste voll – und legt sie ein. Der Sound, eeehhh , ist wild. Honig, heißer Schweiß und stramme Muskeln. Es ist der Sound Afrikas, gemischt mit einem sehr weichen Sessel und einem Schwert aus Stahl. Bill Withers kann Frauen zum Weinen bringen, Marvin Gaye ist für die Herzen der Frauen da, Isaac Hayes spricht die Papaya direkt an, Stevie Wonder vermittelt eine große Spiritualität, Jimi Hendrix ist der verrückte Hexendoktor einer blutigen Zeremonie, und Otis Redding bringt alle dazu, eng zu tanzen. Aber es gibt auch Frauen, die singen: Dionne Warwick lässt Männer nett und zuvorkommend werden, während bei Donna Summer die Hose lebendig wird. Und Nina Simone – du würdest es nie wagen, ihr nachts zu begegnen, denn sie würde dich totbeißen und dein rohes Fleisch essen.
    »Gefällt dir das, obwohl … du weiß bist?«, frage ich. Er lacht laut. »Ja«, sagt er.
    »Die schwarzen Menschen in Amerika – können sie irgendeine afrikanische Sprache?« Er sieht mich überrascht an.
    »Nein, nein, nein. Sie reden Englisch wie ich. Sie kommen nicht aus Tansania. Sie wurden vor über zweihundert Jahren in Westafrika als Sklaven gefangen, weit weg von hier.«
    »Kamen keine Sklaven aus Tansania?«
    »Doch, aber die meisten wurden von den Arabern gefangen und nach Sansibar gebracht, um auf den Nelkenplantagen zu arbeiteten. Und einige wurden auf die arabische Halbinsel geschafft, als Sklaven der Moslems. Swahili ähnelt der arabischen Sprache. Aus Tansania sind nicht viele nach Amerika gekommen.«
    Dieser weiße Bursche weiß alles. Egal, was ich frage, er hat eine Antwort darauf. Jetzt kommt seine Frau.
    »Wie geht es Katriinas Bauch?«, fragt sie.
    »Gut«, sage ich, breit lächelnd, denn die harten Fragen kann ich in diesem Haus nicht stellen. Manchmal fühle ich mich zerrissen: nicht weiß, nicht schwarz, kein Kind mehr, aber auch noch nicht erwachsen, ohne Zuhause, aber nicht auf der Straße. Wenn ich verstanden werden will, ist das nicht leicht. Wie soll ich all die Menschen dazu bringen, sich hinzusetzen und mir zuzuhören? Unmöglich. Ich lasse mich benutzen, um sie auszunutzen. Soll ich zu Katriina gehen? »Hallo, dein Mann ist wahnsinnig – er pumpt sämtliche schwarzen Löcher.« Mit Steinen im Glashaus werfen? Wenn ich es den Amerikanern erzähle, könnte es Jonas direkt zu Ohren kommen. Als würde ich mich selbst ins Klo spülen, um nie wiedergesehen zu werden. Kann ich diesen amerikanischen Mann nach einem Job fragen? Der einzige Job ist, den Hund zu rasieren, und das macht der Mann selbst.
    Der Hund, den ich Solja besorge, ist Deutscher, ein Schäferhund – eine Dame, ein hässliches Vieh.
    »Er soll Kleiner Onkel heißen«, sagt Solja. Es ist der Name eines Pferdes in einem schwedischen Kinderbuch. Bedingung ist, dass der Hund nicht ins Haus kommt; er kann auf der Veranda in einem großen Korb mit einer Decke wohnen.
Christian
    Morgen kommt Mutter mit Annemette an. Am Abend bittet mich Vater aufs Sofa.
    »Setz dich«, sagt er. Was jetzt? Hat er entdeckt, dass ich Zigaretten rauche? Aber das weiß er doch ohnehin. Ich setze mich.
    »Und?«
    »Christian«, sagt er. »Wenn du rauchen, trinken oder … deinen Spaß mit Mädchen haben willst, dann mach es genau dort, wo du jetzt sitzt.« Ich blicke auf die Sofakissen, dann wieder auf Vater.
    »Wovon redest du?«
    »Man hat mich als Buchhaltungsexperten in die Schulverwaltung gelockt. Also werde ich bei den Abstimmungen dabei sein, wenn unbotmäßige Schüler eine Woche oder vierzehn Tage suspendiert werden oder ganz von der Schule fliegen. Du solltest wissen, dass

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