Liberty: Roman
Schulstipendium der Regierung, weil er ein Meister der Akrobatik ist – und sehr stark –, und der Lehrer weiß, Edson ist so dumm, dass er auf die Idee kommen könnte, zurückzuschlagen. Auch Big Man Ibrahim bekommt fast nie Schläge, denn er lächelt nur, wenn der Stock ihn trifft. Aber ich, ich werde jedes Mal geschlagen, wenn ich mit meinem Reichtum prahle und mit dem Motorrad an dem Lehrer vorbeifahre, der im Staub gehen muss.
Ich bin mit Nechi befreundet, der ganz in der Nähe von mir wohnt, direkt gegenüber vom Haupteingang der Polizeischule, auf der Nechis großer Bruder der Vizeboss ist. Nechis Noten sind gut, denn die Familie hat Macht, und obwohl Nechi frech ist, bekommt er nie eine Ohrfeige. Rosie bekommt ebenfalls gute Noten, weil sie sehr hübsch ist. Zusammen mit Edson und Big Man Ibrahim gehöre ich zum unteren Ende der Klasse, obwohl ich hart arbeite.
SURVIVAL
Bin ich im Leben weitergekommen, weil ich mich der weißen Verwirrung angeschlossen habe? Für mich geht’s ums Überleben. Bob Marley singt sehr genau darüber. Als ich ihn das erste Mal hörte, wohnte ich noch beim Pastor. Jeden Tag lief ich zu meinen deutschen Freunden im Missionarsstadtteil zum Spielen. Sie schenkten mir einen Kassettenrekorder, und wenn der Pastor nicht in der Nähe war, stellte ich ihn an, hörte meine Bänder und machte die Hausaufgaben. Ich hörte die Musik der Deutschen, ABBA , die weiß sind, und Boney M, Schwarze mit einem weißen Sound. Der deutsche Missionar hörte, wie ich mit seinen Kindern Deutsch redete, also verabredete er mit dem Pastor, mich als Übersetzer einzusetzen.
»Du begleitest eine Tour mit deutschen Touristen, Marcus«, sagte der Missionar zu mir. Ein merkwürdiger Lastwagen mit sehr großen Reifen war gekommen, voller Deutscher, die wie Wilddiebe mit Zelten durch Afrika reisten. Sie wollten einen Tag nach Marangu und bis zur ersten Hütte den Kilimandscharo besteigen – nicht bis zum Gipfel, weil unter ihnen schwangere Frauen waren. Ich sollte bei der Sprache helfen.
»Möchtest du ein Stückchen Schokolade?«, fragt mich eine Dame in dem Lastwagen auf Deutsch.
»Ja, danke schön«, sage ich auf Deutsch, alle lachen und schenken mir etwas Fantastisches, es heißt Mars, und ich esse es sehr schnell auf. Sollten sie es bereuen, können sie es sich nicht mehr zurückholen. Wir fahren auf der Hauptstraße nach Himo.
»Magst du Reggae-Musik?«, fragt der deutsche Reiseleiter.
»Ja, die mag ich besonders gern«, sage ich, denn ich habe sie an Phantoms Kiosk am Markt gehört; sie wurde von einem schwarzen Mann mit dickem Haar wie einer Löwenmähne gespielt. Aber ich habe kein Geld für das Band oder um es mir zu überspielen.
»Das ist die neue Platte von Bob Marley and The Wailers«, sagt er und legt das Band in die Stereoanlage des Wagens ein. Eeehhh , ein feiner Sound – nicht diese steife weiße Musik, sondern rhythmisch, lebendig. »So much trouble in the world now«, Bob singt mit dieser warmen Stimme – nicht wie diese Eiswürfel von Boney M. Der Deutsche zeigt mir die Kassette. SURVIVAL heißt sie, die Vorderseite ist voller Flaggen – sogar die Fahne von Tansania ist dabei. Alle Fahnen aus Afrika. Der Deutsche erklärt, unter dem Wort SURVIVAL wäre ein Bild von Sklaven, wie sie eng zusammengepfercht in den Lasträumen der Schiffe lagen, die sie nach Amerika brachten.
»Aber sie reisten nach Amerika«, sage ich, weil es dort besser ist als hier, wo der schwarze Junge ein Sklave des Pastors ist. Bob singt: »Babylon system is the vampire. Sucking the blood of the sufferers.«
Als wir nach Moshi zurückkommen, schenkt mir der Deutsche die Kassette mit Bob Marley. Ich bin glücklich und höre mir das Band bis tief in die Nacht an. Aber der Pastor findet meinen Kassettenrekorder und nimmt ihn mir weg. Ich bekomme ein paar Schlafsäcke von den Deutschen, und der Pastor nimmt sie mir weg. Er hat seine eigene Familie – ein Junge, zwei Mädchen und eine Frau. Und er bringt ihnen meine Sachen.
Irgendwann erzählte ich dem Pastor, dass ich mit den deutschen Missionaren nach Pangani reisen will, in den Urlaub, in einem Auto.
»Nein«, sagte er. »Du musst auf die Farm in Kahe, arbeiten.« Als ich aus Pangani zurückkam, trat der Pastor mich mit Gottes Fuß, aber ich weigerte mich, unter seinem Regime zu leben.
Jetzt lebe ich unter einem neuen weißen Regime, mit einem schwedischen Mann, der mit dem Hausmädchen herumalbert und sich mit malaya , mit Huren, herumtreibt. Vielleicht
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