Liberty: Roman
in den Moshi Club oder irgendwo anders hingehen. Dafür bin ich da. Ich komme nachmittags um fünf nach Hause, nach einem langen Tag in der Schule und der Arbeit im FITI . Dann fährt die Familie in den Club, um sich zu entspannen, Squash, Tennis oder Golf zu spielen und zu trinken. Sie kommen um sieben zurück, die ganze Familie. Später machen sich die Eltern wieder auf den Weg und besuchen ihre Freunde, entweder zu Hause oder im Club. Manchmal wird Solja einfach bei mir abgeliefert.
»Sag dem Hausmädchen, sie soll Solja etwas kochen«, sagt Katriina.
»Aber das Hausmädchen hat frei.«
»Wer hat ihr frei gegeben?«
» Bwana Jonas. Er hat gesagt, sie könne den Rest des Tages frei nehmen.«
»Wieso hat er das gesagt?«
»Darüber weiß ich nichts.«
»Na, dann musst du ihr etwas kochen, Marcus.« Und Katriina fährt wieder. Ich mache das Essen für Solja, ich bürste die Zähne in ihrem Mund. Wenn sie zu dreckig ist, stecke ich sie in die Badewanne. Dann sitze ich die ganze lange Nacht bei ihr. Vielleicht kommen die Eltern um zwei oder drei Uhr nach Hause. Ich muss sichergehen, dass Solja tief und fest in ihrem Bett schläft; ich muss im Halbschlaf auf dem Sofa im Wohnzimmer sitzen, dabei wartet ein Ohr auf den Lärm des Wagens. Ich langweile mich und bekomme keinen ordentlichen Schlaf. Am nächsten Tag bin ich in der Schule müde. Es ist hart, für die wazungu zu arbeiten.
Was soll ich mit der Zeit anfangen? Ich lese alle Bücher, die auf dem Regal stehen, ich lese die amerikanische Newsweek und die Lügen in der tansanischen Zeitung Daily News .
»Was liest du da?«, fragt mich das Hausmädchen misstrauisch.
»Eine Geschichte über das Leben in der Welt, was in anderen Ländern passiert«, sage ich.
»Wieso?«, fragt sie. Ja, wieso möchte ich ein Wissen haben, das sie nicht hat? Was ist das für ein Wissen? Halte ich mich für etwas Besseres als sie? Aber meist sagt sie nicht sehr viel zu mir, denn Jonas gibt ihr ständig frei, weil sie Kartoffelmus schlägt.
Jeden Abend langweile ich mich so, dass ich in die Speisekammer gehe und Bier stehle, ein paar Dosen Carlsberg – ich stelle die Dosen hinterher ein bisschen um, damit es nicht auffällt.
In der Schule fasst mich Rosie in der Pause am Arm.
»Werden die Schweden dich bald in ihr Land nach Europa schicken?«, fragt sie.
»Nein, ich bin nur der Babysitter ihrer Kinder.«
»Hör schon auf«, sagt Rosie und stupst mich an die Brust. »Die ganze Zeit sehe ich dich auf dem Motorrad des Projekts.«
»Ja. Vielleicht bekomme ich einen Posten im Projekt, wenn die Schule vorbei ist. Dann werde ich sicher auf viele Kurse nach Europa geschickt.« Rosie zieht mich um die Ecke des Schulgebäudes und steckt mir eifrig die Zunge in den Mund. Habe ich gelogen? Nein. Das Mädchen träumt von Europa, genau wie ich. Wir hoffen, dass es Wirklichkeit wird.
»Ich komme dich bald besuchen«, flüstert Rosie, bevor sie zurück in die Klasse geht.
Christian
»Was ist denn das für ein Wagen?«, fragt Emmanuel mitten im Fußballspiel am Samstagnachmittag. Ich folge seinem Blick und sehe, wie Vater mit dem Kinderwagen spazieren geht, an dem ein geblümter Minisonnenschirm mit Faltenbesatz steckt, damit Annemettes blasse Beine keinen Sonnenbrand bekommen.
» Tsk «, zische ich, während Emmanuel zu Vater läuft, um nachzusehen, was sich in dieser Kiste auf Rädern befindet. Er sieht das Kind und lacht laut.
»Was machen Sie mit dem Kind?«, erkundigt er sich.
»Ich gehe spazieren.« Emmanuel sieht besorgt aus.
»Ja, aber was ist mit Ihrer Frau passiert? Ist sie sehr krank?«
»Nein. Sie spielt Golf«, erwidert Vater.
Emmanuel schaut ihn an, er ist verwirrt.
Mein Vater geht weiter. Emmanuel bleibt stehen und sieht ihm nach.
»Dein Vater muss diese Frau härter schlagen«, erklärt er. Dann lacht er und geht ein paar Schritte, als würde er einen Kinderwagen schieben. »Eine Kiste auf Rädern«, sagt er und schlägt sich auf die Schenkel. Es ist absurd. Es ist unglaublich peinlich.
Wir spielen weiter, aber die Stimmung ist eigenartig. Hinterher gehe ich mit Emmanuel zum Fluss; wir rauchen Zigaretten und beobachten die Frauen und großen Mädchen, die mit ihren langen Netzen im Fluss fischen. Wenn sie an Land gehen, kleben ihnen die dünnen Kleider am Leib – ich kann alles sehen.
Als ich nach Hause komme, verlässt Vater gerade das Badezimmer.
»Geh ins Bad und wasch dir die Hände, wir gehen in der Messe essen.« Ich gehe ins Schlafzimmer der Alten, um mir
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