Liberty: Roman
Augen, aber alles, was er sieht, sind Träume.
Aber Mika ist nicht der Einzige, der eine spirituelle Abkürzung nehmen will.
Ich will mein bhangi ernten, aber was sehe ich? Die Pflanzen sind verschwunden – weg.
»Du hast mein bhangi geplündert«, sage ich zu dem Wachmann. »Wenn du es mir nicht wiedergibst, sorge ich dafür, dass du gefeuert wirst.«
»Ich habe es nicht genommen«, sagt er.
»Wer dann? Gespenster?«
»Ich habe es nicht genommen.«
»Du rauchst jede Nacht – du hast es gestohlen.«
»Ich habe es nicht angefasst, nur jeden Abend gegossen, wie du gesagt hast.«
Am nächsten Tag kommt Katriina zu mir ins Ghetto.
»Marcus, kannst du im Haus ein bisschen sauber machen, während wir im Club sind?«
»Ja«, sage ich. Es bedeutet, dass Gäste kommen, aber das Haus ist ein einziges Chaos. Ich mache sauber, sauber, sauber – und eeehhh. Als ich den Besen unter das Bett stecke, kommt er mit irgendwelchem schweren Kram zurück: Große Zweige mit Blättern – alle bhangi -Pflanzen liegen unter dem Bett, ich bin gezwungen, sie wieder zurückzuschieben. Wie könnte ich die Frage nach der Reise meiner Pflanzen aus meinem Garten unter das Bett des weißen Mannes stellen? Es ist unmöglich.
GARTENPINKELEI
Rosie besucht mich in meinem Ghetto, während die wazungu in ihre Schwitzhütte gehen. Ich serviere ihr Cola, europäische Schokolade und erotische Töne von Bob Marley, der in Rosies Ohren singt: »Turn your lights down low. Never ever try to resist, oh no«. Schon bald sind unsere Zungen verknotet und meine Hände auf wunderbaren Brüsten. Ich höre Geräusche an der Tür, Stimmen.
»Was ist das?«, fragt Rosie.
»Warte«, sage ich, gehe zur Gardine und hebe einen kleinen Zipfel an, um den Kücheneingang des Hauses zu sehen. Rosie stellt sich hinter mich. Jonas kommt um die Ecke meines Ghettos und geht auf das Haupthaus zu. Ich entdecke Solja, die zusammen mit ihrem Hund im Nachthemd auf der Hintertreppe steht.
»Wo bist du gewesen?«, fragt sie. Jonas bleibt mitten auf dem Rasen stehen, schaut auf.
»Ich musste nur mal raus«, sagt er. »Du sollst schlafen.«
»Ihr macht so viel Krach. Wo bist du gewesen?«
»Die Toilette war besetzt, deshalb habe ich in den Garten gepinkelt.«
»Fahren sie bald, damit ich schlafen kann?«
»Das dauert nicht mehr lange, Schatz. Aber Marcus ist zu Hause. Du kannst bei ihm schlafen.«
»Ich wohne nicht da unten«, sagt Solja und dreht sich um. Sie will zusammen mit Kleiner Onkel ins Haus gehen.
»Aber nicht mit dem Hund ins Haus«, sagt Jonas. Doch Solja antwortet nicht. Sie liebt diesen Hund, und er liebt sie. Wo sonst kann sie in diesem Haus so viel Liebe erleben? Jonas gibt seine Erziehungsversuche auf und geht zur Sauna.
»Ist er nicht ein bisschen seltsam?«, fragt Rosie.
»Ja«, sage ich und küsse sie noch mal.
PARANOIA
Am Morgen nach dem Fest bin ich vor allen anderen auf den Beinen. Zuerst gehe ich ins Haus, um nachzusehen, ob Jonas vergessen hat, die Speisekammertür mit dem Vorhängeschloss zu verriegeln. Es ist offen. Rasch bringe ich sieben Dosen Carlsberg in mein Ghetto, verstecke sie hinter dem Schreibtisch und verteile meine Sammlung leerer Bierdosen auf dem Rasen, wo seit letzter Nacht bereits einige liegen. Dann gehe ich wieder ins Haus und räume auf. Als Jonas aufsteht, will er mich nicht sehen. Er sagt: »Geh nach draußen. Sammel die Bierdosen ein.« Ich tue, was er sagt. Er steckt den Kopf aus der Tür. »Schmeiß sie nicht in das Abfallloch.« Ich weiß. Zuerst will er sie studieren, wie ein Müllforscher.
Dann will die Familie in den Club. Jonas sagt, er sei noch nicht so weit, er müsse erst ein Bad nehmen. Katriina fährt mit Solja im Auto, Jonas fährt ihnen kurz darauf mit dem Motorrad hinterher. Nach einer Stunde kommt er wieder zurück und geht ins Schlafzimmer – jetzt ist er allein. Er raucht und raucht und raucht, dann kommt er mit einer Zigarette in der Hand auf die Veranda und sitzt dort allein, er keucht und zwinkert mit den Augen. Ich will ihn nicht einmal grüßen, als ich vorbeigehe – er nimmt es bloß als Störung wahr.
Christian
In der Schule läuft’s gut. Mein Englisch ist inzwischen okay, ich bin Torwart der Schulmannschaft, ich habe Freunde. Ich gehe mit Jarno ins Maisfeld hinter dem Speisesaal oder zum Karanga River und rauche Zigaretten. Manchmal ist auch Panos aus der Fußballmannschaft mit dabei – guter Typ. Er ist Mulatte: eine Hälfte griechisch, ein Viertel englisch und ein Viertel schwarzer
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