Liberty: Roman
ich höre auch Jonas und Asko zu, die sich auf Schwedisch unterhalten.
»Wie läuft’s mit dir und Tita?«, erkundigt sich Jonas.
»Sie redet nur davon, schwanger zu werden – die ganze Zeit.«
»Kinder, die sind so verdammt lästig«, sagt Jonas.
»Aber dieser Junge – Marcus –, er passt doch abends auf Solja auf, oder?«
»Ja, aber er ist auch verdammt lästig. Er ist nur ein dummer Junge, aber er benimmt sich, als wäre er ein Teil der Familie, und ich muss alles Mögliche für ihn tun. Ich glaube, er ist erst zufrieden, wenn ich ihm einen schwedischen Pass und einen Job bei Volvo verschafft habe.«
Am nächsten Samstag kommt Léon. Vater muss arbeiten, daher spielt Léon eine ganze Runde mit Mutter. Als Vater nach Hause kommt, unterhalten sie sich zu dritt und nehmen ihre Drinks auf der Veranda. Im Ofen ist ein Kudu-Braten – Léon hat ihn mitgebracht. Ich verschwinde, um Zigaretten zu rauchen.
Marcus
DIE INNERSTEN PROZESSE
Ich winke dem Flugzeug zum Abschied nach. Mika sitzt darin, auf dem Heimweg nach Finnland. Larssons waren die falsche Familie, um sein Problem zu lösen.
Das Kind kommt am 8. Juli 1981 im KCMC zur Welt. Es ist ein kleines Mädchen.
»Rebekka«, sagt Katriina. »Sie soll Rebekka heißen.« Bwana Jonas murmelt nur irgendwas, eindeutig enttäuscht, denn der Mann will einen Sohn – jetzt ist er mit drei Frauen allein in der Familie.
Viele Menschen kommen vorbei, um sich das Baby anzusehen, und ich bringe den Gästen ständig Cola, Kaffee, Bier und Sandwiches. Auch Tita und Asko tauchen auf.
»Kannst du ihn fragen?«, sagt Tita, als ich an der Veranda vorbeilaufe.
»Ja. Marcus!«, ruft Katriina. »Tita braucht etwas Hilfe im Haus, ein paar Kleinigkeiten, die repariert werden müssen. Kannst du nicht mal bei ihr vorbeifahren?«
»Ja, mach ich«, sage ich und nicke Tita zu, die lächelt. Asko steht mit einem Bier in der Hand neben Jonas – sie schauen in den europäischen Wagen, in dem das neue Kind liegt.
»Ich will auch ein Kind«, sagt Asko – seine Stimme klingt bereits betrunken.
»Dann müsst ihr daran arbeiten«, grinst Jonas.
»Ich glaube kaum, dass man in Tita irgendetwas zum Wachsen bringt«, sagt Asko.
»Wer sagt, dass es an mir liegt?«, fragt Tita. Ich laufe vor dieser Art, alles ganz offen zu bereden, davon.
GARVEY DREAD
Ein einheimischer Bursche kommt zu meinem Ghetto, er heißt Gaspar – ein Straßenjunge, einer von Mikas alten Freunden, die er durch den bhangi -Pusher Alwyn kennengelernt hat.
»Du musst das hier Mika nach Europa schicken«, sagt Gaspar und reicht mir eine Pappkiste mit acht Dosen Africafé aus der Fabrik am Karanga River.
»Wieso?«, frage ich ihn. »Du kannst es doch selbst schicken.«
»Die Dosen sind nicht von mir.«
»Von mir aber auch nicht.«
»Nein, sie stammen von Alwyn«, sagt Gaspar. »Er hat gesagt, es sei abgesprochen, dass du sie Mika schickst.« Obwohl Alwyn auf die ISM geht und der Sohn eines bwana mkubwa ist, hängt er mit dem Pack vom Markt herum und will mich als Kuli benutzen. Wer soll die Briefmarken bezahlen?
»Davon weiß ich nichts«, sage ich. »Was soll Mika mit Africafé – auch in Europa kann man Kaffee kaufen.«
»Keine Ahnung, ich glaube, er mag diesen Kaffee«, sagt Gaspar. Ich nehme die Dosen und schicke Gaspar fort. Es sind große Vierhundertfünfzig-Gramm-Dosen Africafé. Mit einem Schraubenzieher hebele ich den Deckel auf, um hineinzusehen. Ja, unter dem Deckel sind die Dosen von der Fabrik mit einer besonders dicken Schicht Stanniol versiegelt – kein Problem.
Ich schreibe an Mika: »Diese Sachen kosten soundso viel, um sie dir zu schicken, ich will das Geld oder ein paar Dinge, sonst schicke ich sie nicht.« Die Dosen stehen ein paar Wochen in meinem Ghetto, bis Mika ein paar Sachen schickt: ein Radio, Unterhosen, Turnschuhe. Wenn es gute Sachen sind, behalte ich sie, wenn es Scheißzeug aus Korea ist, verkaufe ich es. Und ich bringe den Kaffee zur Post, aber bei Mika und Alwyn habe ich so ein paranoides Gefühl, also gebe ich als Absender eine falsche Postfachnummer an und den Namen Garvey Dread.
Gaspar kommt mehrmals mit Africafé – ich verschicke ihn. Eines Tages fragt mich bwana Jonas: »Hast du Mika bhangi geschickt?«
» Bhangi?«, sage ich. »Nein.«
»Mikas Mutter schreibt, er sei ständig high – sie glaubt, das bhangi kommt von hier.«
»Ich hab keine Ahnung. Ich habe ihm ein paar Dosen Africafé geschickt – er hatte mich darum gebeten.«
»Africafé?«, sagt bwana Jonas.
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