Liberty: Roman
sehr verlegen und schaut zu Boden, ohne zu antworten. Wir kennen beide die Antwort; Katriina hat ihre Augen aufgemacht.
»Hast du deinen Lohn bekommen?«
»Ja, aber mama kann mich nicht rausschmeißen. Der Mann im Haus bestimmt«, sagt das Hausmädchen und hebt den Kopf.
»Wenn du an dem Mann herumfummelst, kann mama dich sogar töten lassen. Sieh lieber zu, dass du verschwindest.«
»Aber er hat mir versprochen, dass er …« Ich unterbreche sie, weil ich die falschen Versprechungen nicht hören will.
»Solange du der Schneebesen für die Pumpe des weißen Mannes bist, wird er dich immer anlügen«, sage ich und fahre weiter – aufs Grundstück. Katriina kommt sofort auf die Veranda, mit roten Augen. Sie will mir eine Aufgabe geben, aber ich kenne sie bereits: alle Probleme lösen.
»Ich habe das Hausmädchen gefeuert.«
» Eeehhh «, sage ich, wie ein totaler mswahili . Was soll ich sonst sagen?
»Sie konnte nicht ordentlich kochen«, sagt Katriina, ohne mich anzusehen. »Wir müssen eine ältere Frau finden, Marcus. Eine, die etwas gelernt hat.« Dann dreht sie sich um und geht wieder ins Haus, ohne etwas über das Fest zu sagen; ist es abgesagt, oder bin ich der Koch?
Christian
Samstag. Die Alten müssen zu einem Fest bei den Larssons. Es fängt früh an, und es gibt etwas zu essen.
»Ich hab keine Lust mitzukommen.«
»Du musst aber mit«, erwidert Mutter. »Du kannst dich ein bisschen mit Solja unterhalten.« Mutter geht ins Badezimmer.
»Solja ist doch noch ein Kind.«
»Das bist du auch«, sagt Vater.
»Ich werde bald fünfzehn.«
»Eben.«
Mama Brian steht mit Annemette bereit. Als Mutter fertig ist, gehen wir zum Auto. Ich setze mich auf den Rücksitz neben mama Brian, die Annemette in der Tragetasche auf dem Schoß hat. Vater setzt sich auf den Beifahrersitz und reicht die Autoschlüssel aus dem Fenster.
»Doch nicht ausgerechnet heute«, protestiert Mutter.
»Du musst es lernen«, entgegnet Vater. Sie nimmt die Schlüssel, setzt sich hinters Steuer und lässt den Wagen an. In den kleinen Kreisel am Beginn des TPC -Reihenhausviertels fährt sie falsch. »Das ist falsch«, sagt Vater.
»Ach«, stöhnt Mutter, »als würde alles auf dem Kopf stehen.«
Vater lacht. Wir fahren an der Fabrik vorbei auf die TPC -Straße. Es herrscht ziemlich viel Verkehr. Nahezu sämtliche Lokomotiven der tansanischen Staatsbahn sind ausgefallen, so dass der raffinierte Zucker in Lastwagen abtransportiert werden muss. Die Fahrer sind häufig bekifft oder betrunken, auf dem TPC -Gelände gibt es gongo zu kaufen. Tag und Nacht fahren die Lastwagen auf der TPC -Straße, viele von ihnen praktisch ohne Licht, denn die Scheinwerfer sind entweder gestohlen oder durch Steinschlag zerbrochen, und neue zu beschaffen ist unmöglich. Einige Laster schleppen sich ein wenig seitenlastig über die Straße – sie wurden bei Verkehrsunfällen verzogen und nicht ordentlich repariert.
»So gut wie kein Blinker funktioniert«, erklärt Vater. »Man sollte also auf plötzliches Bremsen und Abbiegen vorbereitet sein. Mit dem rechten Blinker wird signalisiert, wenn es für den Hintermann nicht ratsam ist zu überholen. Und mit dem linken, wenn die Bahn frei ist. So funktioniert das System.« Wir geraten hinter einen Lastwagen, der langsam dahinschleicht, aber die Straße ist kurvenfrei, der Laster beleuchtet, und der Fahrer blinkt links. »Fahr einfach drauflos«, fordert Vater sie auf.
»Ja, ja«, sagt Mutter und beginnt mit dem Überholmanöver, wobei sie das Lenkrad mit beiden Händen umklammert, bis sie sich vor den Lastwagen setzt.
»Es ist schwer, wenn man auf die falsche Spur muss«, meint sie.
»Wenn sie blinken, kann das natürlich auch bedeuten, dass sie abbiegen wollen. Alles in allem muss man also ziemlich aufpassen«, sagt Vater.
»Ja, so weit habe ich es verstanden«, erwidert Mutter.
Wir sind nicht die ersten Gäste des Festes – eine Reihe von Leuten steht bereits mit Drinks in den Händen auf der Veranda.
»Ich gehe mal runter zu Marcus«, sage ich und laufe direkt zur Dienstbotenwohnung. Vielleicht hat er ein Dosenbier. Aber Marcus ist nicht da, die Tür ist abgeschlossen. Ich gehe zur Küchentür. Ich kann Jonas reden hören.
»Und wie wollen wir jetzt was zu essen machen? Verdammt noch mal, was hast du dir eigentlich dabei gedacht? Du tust ja nichts.«
»Ich will deine Nutten nicht vor den Kindern im Haus haben«, sagt Katriina.
»Du bist doch verrückt«, erwidert Jonas. »Du sprichst vom
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