Liberty: Roman
Teil des Landes bekommt man kein Speiseöl, während ein anderer Landesteil über Speiseöl verfügt. Dafür gibt es aber nichts, um etwas darin zu braten. Und die Polizei kontrolliert, dass diese Situation nicht durch private Initiativen gestört wird.
Vater grüßt sehr höflich. Der Polizist schaut auf das Sackleinen, mit dem unsere Sachen abgedeckt sind.
»Was ist das?«, fragt der Mann. Vater reicht ihm die Papiere des Zollbüros – unterschrieben und gestempelt, gekauft und bezahlt. Der Polizist würdigt sie keines Blickes, vielleicht ist er Analphabet.
»Die Waren sind legal«, sagt Vater.
»Seien Sie so freundlich, steigen Sie aus dem Wagen und öffnen Sie hinten«, sagt der Mann. Vater öffnet die Autotür.
»Sind Sie der Oberkommandierende?«, fragt er.
»Der Oberkommandierende ist dort drüben«, antwortet der Mann und vollzieht eine undefinierbare Bewegung mit dem Kopf.
»Wir haben nicht viel Zeit, ich würde gern mit ihm reden«, sagt Vater. Ich steige auf der anderen Seite aus dem Wagen und gehe um den Kühler herum.
»Hinten aufmachen!«, befiehlt der Polizist.
»Würden Sie bitte den Oberkommandierenden rufen?«, bittet Vater. Der Polizist ruft etwas in Richtung eines kleinen Schuppens unter ein paar Bäumen.
»Entschuldigung«, sage ich zu dem Polizisten. »Rauchen Sie?«
»Was?«
»Haben Sie Feuer?« Ich stecke mir eine Zigarette in den Mund. Er starrt auf die Marlboro-Packung, die ich aus der Tasche gezogen habe. Klar. Marlboro – besser als Geld.
»Darf ich eine Zigarette probieren?«, fragt er. Ich halte ihm das offene Päckchen hin. Die Frau bleibt vor dem Schuppen am Schlagbaum sitzen. Der andere Polizist kommt herüber.
»Was sind das für Zigaretten?«, fragt er.
»Amerikanische«, sagt der erste Polizist.
» Eeehhh , Marlboro. Sie sollen sehr gut sein, habe ich gehört.« Ich reiche ihm die Packung. Er nimmt eine Zigarette, der erste Polizist gibt ihm Feuer.
»Die Papiere sind in Ordnung«, sagt Vater, der die Heckklappe noch immer nicht geöffnet hat. Sie nehmen keinerlei Notiz von ihm. Sie rauchen amerikanische Zigaretten. Ich rauche mit ihnen.
»Ist der Chef zurück?«, fragt der Erste leise.
»Nein, noch nicht.«
»Behaltet das Päckchen«, sage ich und reiche es ihnen. Der erste Polizist nimmt es.
»Vielen Dank«, sagt Nummer zwei.
»Du sollst den Laderaum öffnen«, sagt Nummer eins.
»Können wir nicht fahren, bevor euer Chef zurück ist?«, frage ich.
»Wenn ihr Sachen im Auto habt, muss der Chef sie sehen.«
»Auch wenn die Papiere in Ordnung sind?«
»Papiere sind nicht alles. Vielleicht sind sie gefälscht?«, sagt Nummer zwei.
»Aber amerikanische Zigaretten sind sehr gut«, erklärt Nummer eins.
»Der Rauch hat einen sehr würzigen Geschmack«, ergänzt Nummer zwei.
»Vater, ich glaube, du solltest ihnen ein bisschen Geld geben«, sage ich auf Dänisch und füge auf Swahili hinzu: »Wir haben es sehr eilig, können wir nicht irgendetwas tun, damit wir fahren können?«
»Ihr müsst warten, bis der Chef zurückkommt«, erklärt Polizist Nummer zwei. Ich glaube kaum, dass sie auf den Chef warten werden, wenn wir ihnen etwas geben, denn dann könnte der Chef alles behalten. Vater zuckt die Achseln: »Es ist schwierig, etwas ohne eine klare Aufforderung zu geben. Man kann Probleme bekommen, weil man versucht hat, sie zu bestechen.«
»Wenn Sie uns helfen, damit wir fahren können, dann können wir Ihnen auch helfen – und so helfen wir uns gegenseitig«, sage ich.
»Wie könntet ihr uns helfen?«, will der erste Polizist wissen. »Wir stehen hier in der Sonne und haben nicht einmal eine Zigarette zum Rauchen.«
»Augenblick«, sage ich, gehe zum Beifahrersitz des Wagens und wühle in meiner Tasche, die vor dem Sitz steht. Vater kommt zu mir.
»Was machst du denn da?«
»Gib mir ein bisschen Geld«, sage ich. Er reicht mir eine Handvoll Scheine, circa zwei Monatslöhne eines Tagelöhners. Ich ziehe die Stange Marlboro aus der Tasche, die ich gestern beim Beladen des Wagens gestohlen habe – es fehlen lediglich zwei Päckchen. Polizist Nummer zwei kommt heran, um zu sehen, was ich hinter der offenen Tür treibe. Er sieht die Stange, in die ich Geldscheine stopfe, in das Loch der beiden fehlenden Packungen. Er streckt die Hand aus, um sie entgegenzunehmen. Ich halte sie vor meinem Bauch fest. »Ist das okay«, will ich wissen und sehe ihn fragend an. Er blickt hinüber zu Nummer eins. »Vater, ich glaube, es funktioniert«, sage ich auf Dänisch.
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