Liberty: Roman
Nummer zwei geht zum Ersten, spricht mit ihm, kommt zurück zu mir. Sein Gesichtsausdruck ist unergründlich. Ein leises Kopfnicken, dann dreht er sich um und geht zu dem Schlagbaum, dem Schuppen und der Polizistin.
»Okay«, sagt Nummer zwei. Ich übergebe ihm das Geschenk. Vater klettert hinters Steuer, ich setze mich auf den Beifahrersitz. Vater schließt seine Tür und lässt den Wagen an. Polizist Nummer zwei läuft zu seinem Kameraden, der mit versteinertem Gesicht den Schlagbaum anhebt. Als wir an ihm vorbeifahren, breitet sich ein breites Lächeln auf seinem Gesicht aus – beide winken; es ist ein guter Tag, um Zigaretten zu rauchen.
»Verflucht!«, schimpft Vater. »Ich hasse diese Scheiße!«
»Es ging doch einigermaßen.«
»Woher stammen die Zigaretten?«
»Es waren Thorleifs Zigaretten.«
»Da kann man mal sehen«, sagt er.
»Zigaretten sind immer gut, um das Eis zu brechen.«
»Du wirst mir zu sehr Neger«, sagt Vater. Aber er lacht. Ich lache auch.
Auf der TPC ist Mutter empört.
»Weißt du, was John treibt?«, fragt sie Vater, sobald wir zur Tür reinkommen.
»Nein, was ist passiert?«
»Er läuft abends in der Stadt den Weibern hinterher, zusammen mit diesem Jonas, während Katriina zu Hause mit ihren Töchtern sitzt.«
»Woher weißt du das?«, erkundigt sich Vater. Rogarth hatte dasselbe behauptet, aber wer könnte es Mutter erzählt haben?
»Miriam hat es mir erzählt, sternhagelvoll, aber das ist sie ja meistens.«
»Okay«, sagt Vater.
»Und am nächsten Tag, als ich mit ihr darüber reden wollte, hat sie es mir gegenüber abgestritten und erklärt, John sei ein guter Ehemann.«
»Okay«, sagt Vater.
»Das ist doch nicht wahr«, sagt Mutter.
»Nein«, sagt Vater.
»Aber …« Mutter hält inne.
»Und was soll ich deiner Meinung nach unternehmen?«, will er wissen. Mutter steht mitten im Wohnzimmer, mit geballten Fäusten und angespannt wie ein Flitzebogen.
»Einfach … irgendetwas!«, schreit sie, geht in den Flur, knallt mit der Schlafzimmertür. Vater sieht mich an.
»Kannst du uns ein, zwei Stunden allein lassen?« Ich hebe die Hände: »Bin schon weg.« Und verschwinde.
Marcus
AALBORG
Jetzt habe ich auf zwei weiße Kinder aufzupassen. Solja und Rebekka, meine neue Tochter. Seit ihrer Geburt wird sie von mir auf dem Arm getragen. Und nun ist Rebekka ein Jahr alt und ihre Mutter der Ansicht, sie könnte wieder in den Club rennen, während der Neger die Drecksarbeit erledigt. Wenn Rebekka in die Windeln kackt, stolpert sie umher und sucht ihre Eltern, aber die verschwinden, flüchten, verstecken sich. Es ist eine europäische Windel – pupu fällt nicht heraus, wenn sie herumläuft, denn es gibt Gummis, um es am Hintern zu halten, aber für sie fühlt es sich hässlich an, und wenn man ihr zu nahe kommt, kann man es riechen. Sie kommt zu mir. Ich bereite das lauwarme Wasser vor, nehme ihr die vollgekackte Windel ab, falte sie zusammen, werfe sie fort, wasche ihren Hintern und ziehe ihr eine neue Windel an. Und ich lächele und ziehe im Scheißegeruch kein grimmiges Gesicht, denn Kinder merken so etwas, und sie kann schließlich nicht aufhören, pupu zu produzieren.
Ich hole die europäische Milch, die nicht aus Katriinas titi kommt, sondern in Flaschen im Kühlschrank steht, und wärme sie, damit sie schön in Rebekka hineinläuft. Und die Arbeit mit Rebekka ist inzwischen besonders beschwerlich. Eine giftige Schlange hätte auf dem Gelände der TPC beinahe das Knudsen-Baby gebissen, also muss ich Rebekka wie ein Schatten begleiten, wenn sie ihre kleinen Beinchen auf dem Rasen trainiert. Die erwachsenen Weißen halten es in der Sonne ja nicht aus – aber der schwarze Marcus ist dafür wie geschaffen.
Und sie überlassen mir die Kinder abends. Vielleicht würde Katriina gern zu Hause bei den Kindern bleiben, aber wenn Jonas allein unterwegs ist, wer weiß, was er dann tut?
Ich lege Musik auf, jeden Abend: Zaire-Rock, Soul, Reggae. Ich tanze mit Rebekka im Arm und unterrichte gleichzeitig Solja. »Du musst die Hüften wie ein Kugellager bewegen«, sage ich und zeige ihr die afrikanische Methode. Solja ist tüchtig, und Rebekka ist in jeder Bewegung eine geborene Afrikanerin – wenn die beiden groß sind, werden die weißen Männer sie sehr spannend und gefährlich finden.
Mitten in der Nacht langweile ich mich zu Tode. Ich kann keine Musik spielen, weil die Kleinen schlafen, und ich muss meine weiße Tochter hören können, wenn sie nachts Durst bekommt. Aber
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