Liberty: Roman
gerät auf den Seitenstreifen, aber zu weit. Ein Knall. Metall gegen Beton. Der Sicherheitsgurt strafft sich über meiner Brust. Wir stehen. Schief. Ein Vorderrad ist in den Hauptbewässerungskanal geraten, der auf diesem Stück parallel zur Straße verläuft. Der Land Rover schießt vorbei. Der Zug der Lastwagen verschwindet in der Ferne. Mutter dreht sich um, Blut auf der Stirn. »Annemette«, sagt sie. Ich drehe mich um. Mama Nasira blickt auf das Kind in ihren Armen und beginnt zu schreien und Annemette zu schütteln – der Kopf schlenkert unnatürlich auf dem Hals. » Ngoja, ngoja «, ruft Mutter mit sich überschlagender, schriller Stimme – warte, warte.
»Halt das Kind ruhig. Du sollst nichts tun«, sage ich auf Swahili, als Mutter zwischen den Sitzen hindurch auf den Rücksitz klettert; dabei wischt sie sich Blut von der Stirn, damit es ihr nicht in die Augen läuft. Sie hebt Annemette vorsichtig an, eine Hand unter dem Hals und dem Kopf. Mutters Gesicht, dicht über Annemette gebeugt, ist leichenblass.
»Nein, nein, nein«, sagt sie. »Nein.« Mama Nasira beginnt mit einem schrillen Geheul und schlägt sich mit der flachen Hand vor die Stirn. Mutter fängt an zu schreien, laut, wild. Sie hält Annemette vor sich und schaut sie mit verzerrtem Gesicht an. Und sie schreit. Mama Nasira will Mutter eine Hand reichen. Sie schlägt sie hart zur Seite. » Toka !«, schreit sie – verschwinde von hier. Mama Nasira steigt aus, schlägt sich noch immer mit der flachen Hand ins Gesicht, während sie mit schriller Stimme spricht, unverständlich. Ich habe Zigaretten und Streichhölzer in der Tasche. Ich brauche eine Zigarette. Ich weiß genau, dass ich mir jetzt keine anstecken kann. Aber ich brauche eine.
Shauri ya Mungu – Gottes Wille. Sagen die Einheimischen. Es kommt keine Polizei, und es gibt auch keine weiteren Probleme wegen dem kleinen Mädchen. Die weiße Frau hat versucht zu überholen, obwohl es nicht genug Platz gab. Sie hat den Wagen in den Straßengraben gefahren. Mutter hat vom Arzt des TPC -Krankenhauses etwas zur Beruhigung bekommen. Mama Nasira wurde mit gebrochener Schulter eingeliefert. Vaters Bewegungen sind steif – er ist blass, der Blick leer, er murmelt vor sich hin. Er telefoniert mit Dänemark, fährt in die Stadt, um den Transport und die Tickets für uns zu organisieren. Ich weiß nicht, was ich tun soll. Mutter geht auf den Golfplatz. Sie spielt nicht, sie hat keine Schläger dabei. Niemand spielt, wenn jemand sie sieht. Ich setze mich in den Garten hinter dem Haus und rauche. Rogarth kommt nicht vorbei. Oder Nanna. Es wird kein Wort darüber verloren, ob ich in die Schule gehen soll oder nicht. Ich bleibe zu Hause. Ich verstehe nicht, warum Annemette in Dänemark begraben werden soll. Sie hat hier gelebt, ist hier gestorben. Es wäre passender, finde ich. Aber ich sage nichts. Ich habe keine Lust, allein in die Messe zum Essen zu gehen. Es ist kein Essen im Haus. Ich gehe in die Kantine der Arbeiter und bestelle Hühnchen und Fritten. Ein paar Leute kommen an meinen Tisch und geben mir die Hand.
» Pole sana «, sagen sie – ich täte ihnen leid.
» Asante «, antworte ich. Sie nicken und gehen. Mein Golfcaddy Emmanuel kommt zu mir.
» Pole sana. «
» Asante .« Ein junges Mädchen stellt mir das Essen auf den Tisch. »Setz dich«, sage ich zu Emmanuel. »Iss.« Er setzt sich. Wir teilen uns die Mahlzeit. Ich gebe ihm eine Zigarette. Wir rauchen.
»Es ist schlimm mit diesen Lasterfahrern«, sagt Emmanuel. »Ständig besoffen vom gongo .«
» Tsk. «
Vater kommt in Thorleifs Land Rover nach Hause. Auf der Ladefläche steht ein kleiner Sarg aus lackiertem Holz.
»Jonas hat ihn machen lassen«, sagt Vater. Mutter reagiert nicht. Vater sieht mich an, während er redet: »Morgen früh fahre ich ins KCMC , hole Annemette und fahre dann zum Flughafen. Ich muss ein paar Behördenvertreter mitnehmen, damit alles ordentlich abläuft. Katriina kommt um sieben und holt dich und deine Mutter ab. Sie wird euch hinfahren.«
»Okay«, nicke ich. Wir werden nach Dänemark fliegen und sie begraben.
Marcus
MAKU
Das kleine Knudsen-Baby Annemette ist bei einem Verkehrsunfall gestorben, die ganze Familie ist in Dänemark, um sie zu begraben. Und ich bin zu einer riesigen Polizeieinheit geworden: Rebekka fängt an, auf ihren kleinen Beinen zu laufen, und sie will hinaus. Doch die kleine Annemette stand im TPC -Garten kurz vor dem Kuss der Schlange, also muss Rebekka immer begleitet werden.
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