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Liberty: Roman

Liberty: Roman

Titel: Liberty: Roman Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Jakob Ejersbob
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der Hand. Sie schluchzt noch einmal, trocknet ihre Augen mit dem Unterarm, schaut auf den Boden und atmet stoßweise.
    »Was ist denn los?«
    »Na ja …«, beginnt sie und seufzt. »Ich hätte heute nach Hause fahren sollen. Mit einem matatu , in mein Dorf. Aber hier ist ja niemand, den ich fragen kann. Tsk .« Jetzt scheint sie wütend zu sein.
    »Ich kümmere mich darum.«
    »Jetzt ist es zu spät, heute fahren keine weiteren matatu .« Irene beugt sich wieder vornüber und wäscht weiter. Ich kontrolliere die Zimmer. Niemand zu Hause. Gehe hinüber in die Messe und finde Vater – ziemlich betrunken.
    »Irene möchte heute gern nach Hause und ihre Eltern besuchen. Sie fragt, ob das okay ist?«
    »Ja, natürlich«, sagt Vater.
    »Aber heute kommen keine matatu mehr vorbei, daher werde ich John fragen, ob ich mir sein Motorrad leihen kann, um sie hinzufahren – es sind ungefähr zehn Kilometer.« Irene hat mir erzählt, dass es eines der Dörfer westlich von Nyumba ya Mungu ist.
    »Ja, das ist doch schön«, erwidert Vater. Glücklicherweise ist John zu Hause. »Klar«, sagt er, »der Tank ist fast voll.« Ich springe auf, trete den Kickstarter, fahre zurück zum Haus, stelle die Maschine vor die Haustür und gehe hinein.
    »Irene, wir fahren, wenn du so weit bist.«
    »Wirklich?«
    »Ja.« Und dann umarmt sie mich rasch, bevor sie durch die Küchentür in ihr Zimmer rennt, um ihre Sachen zu holen. Kurz darauf fahren wir. Irene hat ein Kopftuch über die Haare gezogen und ein kanga um den Jeansrock meiner Mutter gebunden. Ich fahre nicht schnell, weil Mädchen in Tansania im Damensitz fahren, sie nehmen ein Motorrad nicht zwischen die Beine. Aber die ungepflasterte Straße ist uneben, es gibt tiefe Radspuren; und wenn sie so auf dem Motorrad sitzt, ist es schwierig, die Balance zu halten, also muss sie mich mit einem Arm umfassen, um sich festzuhalten. Wir kommen an die Straßensperre, die das Ende des fruchtbaren TPC -Gebiets markiert. Auf der anderen Seite ist der Boden zu salzig für Zuckerrohr.
    »Wo wollt ihr hin?«, will der Wachmann wissen.
    »Ich bin der Taxichauffeur des Mädchens, sie will in ihr Dorf«, antworte ich. Er lächelt.
    »Kommst du auf dieser Straße zurück?«
    »Ja, bevor es dunkel wird.« Wir fahren weiter, die Straße wird schlechter.
    »Halt mal«, bittet Irene. Ich bremse. Sie steigt ab. »Die Straße ist schlecht«, sagt sie. »So kann man nicht sitzen.« Am Straßenrand haben die Fischer ihre Maisfelder, aber die Pflanzen sind wegen des Salzgehalts der Erde verkümmert. Irene zieht das kanga und den Rock hoch und setzt sich rittlings hinter mich. »Wir können weiterfahren«, erklärt sie. Ich fahre etwas schneller, und wir nähern uns dem See. Irenes Hände liegen auf meinen Hüften, ich spüre sie an meinem Rücken. »Wir sind gleich da«, sagt sie, »halt an.« Irene steigt ab. Will sie etwa das letzte Stück gehen, um nicht hinter einem mzungu sitzend anzukommen? Vielleicht ist ihr aber auch nur ihr Zuhause peinlich. Doch sie wickelt lediglich den staubigen kanga los, wischt damit ihre Schenkel und ihre Waden ab und stopft ihn in die Tasche. »Gut«, sagt sie und setzt sich wieder in den Damensitz. »Fahr los.« Ein paar hundert Meter weiter stoßen wir auf die ersten kleinen Kinder, die neben dem Motorrad herlaufen und rufen: »Irene, Irene.« Zwischen den Hütten laufen Gänse, Enten, Hühner und tansanische Schafe mit Fettschwänzen herum. Sie zeigt auf die Hütte der Familie. Rohr, Lehm und ein Schilfdach. Davor steht eine ältere Frau und mahlt Mehl, indem sie mit einem langen Stab die Maiskörner am Boden eines ausgehöhlten Baumstamms stampft. Auf ihrem Rücken hängt ein kleines nacktes Kind in einem kanga. Sie richtet sich auf. Bei der Frau muss es sich um Irenes Mutter handeln. Ich stoppe das Motorrad.
    » Shikamoo, mama «, sage ich.
    » Marahaba «, antwortet sie und lächelt.
    »Das letzte matatu war gefahren, darum hat der Sohn der Familie mich nach Hause gefahren«, erklärt Irene rasch.
    »Das ist gut«, sagt die mama . Es ist später Nachmittag, das Licht ist weich geworden. In der Ferne ist zwischen den Wolken die Schneekrone des Kibo zu erkennen. Wenn die Sonne nicht mehr brennt, lässt die Verdunstung des Regenwalds nach und der Berg zeigt sich. Alle Konturen sind verschleiert, denn in der Trockenzeit ist die Luft durch den feinen Staub leicht diesig. Ein einbeiniger Junge von ungefähr zwölf Jahren kommt an Krücken auf Irene zugehumpelt.
    »Das ist mein

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