Licht (Gone) (German Edition)
abgenagt, während ihr Alex in einer Mischung aus ehrfürchtigem Horror und abgrundtiefem Hass dabei zusah.
Er verliert den Verstand, dachte Diana. Sie konnte es seinen Augen ansehen.
»Ich hab Hunger«, sagte Gaia. »Das schnelle Wachstum dieses Körpers fordert seinen Tribut.«
»Nein, Gaia …«, warnte Diana sie.
Alex stieß ein Röcheln aus und versuchte abzuhauen. Gaia hob einen Finger und sorgte dafür, dass er mit hilflos über den Boden scharrenden Füßen an Ort und Stelle blieb. »Warte! Nicht! Ich hab noch einen Müsliriegel!«
»Was ist ein Müsliriegel?«
»Etwas zu essen!«, rief Alex. Er ließ den Rucksack von seiner intakten Schulter gleiten.
Diana lief bei der bloßen Erwähnung eines Müsliriegels das Wasser im Mund zusammen und ihre Eingeweide rumorten schmerzhaft. Wenn Gaia den anderen Arm von Alex bekam, würde sie ihr den Müsliriegel überlassen.
Dianas innere Stimme rief: Mach schon, töte ihn, iss ihn auf! Es ist mir egal.
Sie hob den Rucksack vom Boden. Er war klein, eher was für Tagesausflüge. Sie leerte ihn aus. Eine kleine Tube Salbe. Ein Messer. Eine Wasserflasche. Ein iPhone mit Kopfhörern und eine Art Solarladegerät. Der Müsliriegel. Eine Karte.
Gaia trat neben sie. »Was kann ich essen?«
Diana starrte auf den Riegel. Ein unvorstellbarer Leckerbissen: Haferflocken und Rosinen und Datteln. Ihr stiegen dieTränen in die Augen. Sie bräuchte bloß »Nimm ihn !« zu sagen und der Riegel gehörte ihr.
»Das da ist er! Iss ihn!«, rief Alex mit schriller Stimme.
Gaia hob den Riegel auf, betrachtete ihn mit gerunzelter Stirn und begriff schließlich, dass er ausgewickelt werden musste. Sie schob ihn sich in den Mund und würgte ihn hinunter wie eine Pythonschlange.
Diana atmete auf. Damit war ihr die Entscheidung abgenommen.
»Was ist das?« Gaia zeigte auf das iPhone.
»Ein Mobiltelefon«, erklärte Diana. »Hier funktioniert es aber nicht.«
»Da sind all meine Songs drauf«, sagte Alex aufgeregt. »Möchtest du mal reinhören, Gaia? Möchtest du Musik hören?«
»Musik? Was ist das?«
»Man hört sie, verstehst du? Du steckst dir die weißen Dinger in die Ohren.« Er hatte die Kopfhörer aufgehoben und hielt sie Gaia hin.
Gaia nahm sie.
»Gaia, ich weiß, wie wir von hier aus zum See kommen«, sagte Diana. »Dort finden wir etwas zu essen für dich.« Und für mich hoffentlich auch.
Gaia spielte mit den weißen Ohrstöpseln und lachte. »Wenn wir erst am See sind, werden wir alle satt.«
»Du möchtest …? Sekunde.« Diana war verwirrt. »Du gehst also zum See? Ich meine, ist der See unser Ziel?«
»Aber ja.« Gaia blickte sie mit ihren blauen Augen vergnügt an. »Sobald es dunkel ist. Wie soll ich sie sonst alle töten?«
»Alle töten?«, wiederholte Diana tonlos.
»Jeden, der Nemesis nutzen könnte. Ich dachte, das wäre klar. Ich kann nicht zulassen, dass Nemesis einen Körper findet, der ihn aufnimmt. Hast du überhaupt eine Ahnung, wie mächtig er dann wäre? Nein, er muss sterben. Die Leute am See zuerst. Dort geht es leichter. Dann Perdido Beach. In Perdido Beach gibt es viele Verstecke, das weiß ich.« Sie nickte selbstgefällig. »Wie viele Menschen gibt es überhaupt in diesem kleinen Universum?«
»Gaia, das darfst du nicht …«
Diana wurde mit einer Wucht zu Boden geworfen, die ihr den Atem verschlug. Dann schoss sie kerzengerade in die Luft, ruderte mit den Armen und schrie vor Angst.
Sie spürte, dass sie wieder fiel. Ein Sturz aus dieser Höhe wäre tödlich.
Ja, dachte Diana. Bitte, lass mich sterben.
Aber Gaia fing sie einen halben Meter über dem Boden auf. Ihr Kindergesicht drückte die reinste Verachtung aus. »Du schreibst mir gar nichts vor, Mutter.«
Sie ließ Diana los.
»Da hast du’s: Sie ist diejenige, die Ärger macht!«, rief Alex und zeigte auf Diana. Sein Mund versprühte Spucke. Sein Blick war wild. »Iss sie! Iss sie! Ha, ha, ha!«
Diana konnte es ihm nicht einmal übel nehmen. Der Rothaarige verlor den Verstand. Er war völlig unvermutet in einen Albtraum geraten. Seine Augen waren rot gerändert. Der Wahnsinn war ihm wie eine Furie auf den Fersen.
Gaia lachte. Es klang schrill und fehl am Platz. »Möchtestdu deinen Gott denn nicht füttern, Alex?« Sie bewegte sich auf ihn zu, und als er starr vor Angst zurückweichen wollte, packte sie ihn am Ohr und zog ihn zu sich heran – aus purem Sadismus. Gaia war nicht nur skrupellos, sie genoss es auch noch, ihn schlottern zu sehen.
Sie flüsterte Alex ins
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