Licht (Gone) (German Edition)
lang fuhr der Bus nur noch auf zwei Rädern.
Sechzig.
»Sie hört uns nicht. Fahr sie über den Haufen!«
Siebzig.
Die Entfernung wurde immer geringer.
Fünfzig.
»Was soll das?«, schrie Caine.
»Keine Ahnung!«, schrie Sam zurück. »Das bin nicht ich!«
Der Motor geriet ins Stottern und heulte kurz auf.
»Verdammt!«, fluchte Caine. »Das Benzin ist alle!«
Der Bus wurde langsamer, blieb aber nicht stehen.
Sie fuhren fünfundzwanzig Stundenkilometer und hatten noch dreißig Meter vor sich.
Gaia ging jetzt mitten auf der Straße.
Der Motor sprang wieder an! Er musste noch einen letztenTropfen Benzin gefunden haben, denn er machte einen Satz nach vorne. Doch kurz bevor er Gaia erreichte, wich sie ihm mit einem flinken Sprung zur Seite aus.
Der Bus schien in Zeitlupe weiterzurollen. Caine sah Gaias Gesicht, das kein Kindergesicht mehr war. Er sah ihre Augen, die Angst darin und den brennenden Hass.
Sie hob eine Hand. Der Lichtstrahl schnitt einen halben Meter neben Caine durch die Buswand, brannte sich durch die Sitzbänke hinter ihm und auf der anderen Seite wieder ins Freie. Ätzender Rauch stieg auf.
Sam stieß die Tür auf. Caine schwang sich an ihr ins Freie, zielte mit der Hand auf Gaia und schleuderte sie zurück.
Der Bus scherte aus, rammte ein stehendes Auto, wurde langsamer und Caine sprang ab. Stolpernd und um sein Gleichgewicht ringend, rannte er weiter. Er versuchte, den Abstand zu Gaia zu verringern, bis ihn ein unsichtbarer Hieb wie ein Vorschlaghammer in die Brust traf und flach auf den Rücken warf.
Caine sah, wie Sam aus dem Bus hechtete, sich abrollte, auf die Beine sprang und mit beiden Händen das Feuer eröffnete.
Die Strahlen schossen über Gaia hinweg.
Gaia hob lachend die Hände und beförderte Sam in die Luft – immer höher und höher. Sam attackierte sie trotzdem weiter, brannte tiefe Rillen in den Asphalt.
Plötzlich ließ sie ihn fallen.
Er schrie nicht. Er hörte auch nicht auf zu feuern. Doch dann krachte er auf den Beton, brüllte vor Schmerzen und kam nicht mehr auf die Beine.
Gaia trat seelenruhig auf sie zu. Und als Caine seine Hände hob, um mit allem, was er hatte, auf sie loszugehen, explodierte es in seinem Kopf. Er kippte nach vorne, hielt den Kopf umklammert und dachte, die Qualen würden ihm den Verstand rauben.
»Aaaah!« Es fühlte sich an wie Messerstiche. Wie ein wildes Tier, das sich durch seine Augen in seinen Schädel krallte. Wie ein Schraubstock, der seinen Kopf zermalmte.
»Hör auf damit!«, kreischte er.
Aber der Schmerz ließ nicht nach.
Trotz seiner durch die rasenden Kopfschmerzen verzerrten Sicht sah er, dass Sam den Oberkörper aufrichtete, um Gaia erneut anzugreifen.
Gaia sah es auch. Sie ließ einen demolierten Lieferwagen aufsteigen und zwischen sich und Sam zu Boden fallen. Dann bewegte sie sich auf Caine zu.
»Hör auf damit!«, bettelte Caine.
Gaia stand mit gespreizten Beinen und hellgrün schimmernd über ihm, blickte auf ihn herunter und sah zu, wie er sich wand und krümmte, seinen Kopf umklammerte und um Gnade schrie.
Es hörte nicht auf. Seine Stimme war heiser geworden. Sein ganzer Körper wurde von Krämpfen erfasst, er schlotterte wie Espenlaub, sabberte und machte sich in die Hosen.
Und es ging immer noch weiter.
Bis der Schmerz endlich nachließ.
Caine lag auf dem Beton. Er holte schluchzend Luft. Sein Herz dröhnte. Er war schweißgebadet.
»Vater«, sagte Gaia.
»Tu mir nicht weh«, flüsterte Caine. Er wagte nicht, sie anzusehen.
Gaia lachte. »Hast du Mutter gesehen? Sie ist mir irgendwie abhandengekommen.«
»Tu das nicht noch einmal. Ich flehe dich an!«
»Ich hab dich etwas gefragt.«
Caine erinnerte sich an keine Frage. Er klapperte mit den Zähnen und bedeckte mit beiden Händen das Gesicht, als könnte er sie auf diese Weise aussperren.
»Hast du Mutter gesehen?«
»Diana? Ich … ich dachte, sie ist bei dir. Hast du …?«
»Ob ich sie umgebracht habe?«
Caine fürchtete sich davor zu nicken. Er hatte Angst, dass sie ein Spiel mit ihm trieb und nur einen Vorwand suchte, um wieder zuzuschlagen.
»Noch nicht«, sagte Gaia. »Aber wahrscheinlich bald.«
An diese Ungewissheit klammerte sich Caine wie an einen Rettungsring. Er wagte es aber immer noch nicht, sie anzusehen, befürchtete, das Falsche zu tun.
»Ich hab mein Essen fallen lassen«, sagte Gaia. »Heb es auf und trag es für mich.«
»Dein – aaaah!«
Diesmal hielt der Schmerz nur eine Sekunde lang an. Eine Warnung. Als
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