Licht (Gone) (German Edition)
nickte kaum merklich. Er wusste also auch, was die Alternative war.
Im Raum war es totenstill geworden. Die anderen hatten offensichtlich begriffen, vor welcher Wahl sie standen: Entweder sie fanden ein Opfer für Pete oder sie töteten Sam und Caine.
Ohne den Blick von Astrid zu wenden, sagte Edilio: »Dekka, Quinn, ihr kommt mit. Ich brauche alle, die mit einer Waffe umgehen können. Wir postieren Schützen an allen Fenstern und Eingängen rund um die Plaza. Wir bekämpfen Gaia hier.«
»Ohne Sam, Caine und Brianna habt ihr keine Chance«, sagte Diana.
Edilio nickte. »Stimmt.«
»Hört zu«, wandte Albert ein. Astrid wusste, dass er gleich das Unaussprechliche sagen würde. »Keiner von uns will, dass wir unsere besten Leute ausschalten. Nur wenn ihr mich fragt, haben wir gar keine andere Wahl.«
»Mag sein«, erwiderte Edilio. »Aber es gibt einfach Dinge, zu denen ich nicht bereit bin. Wenn es sein muss, sterbe ich, um andere zu retten. Aber ich begehe keinen Mord.«
Er schwang sein Gewehr auf die Schulter und verließ mit Dekka und Quinn den Raum.
Neunzehn
25 Stunden, 29 Minuten
Als Sam und Caine den Schulbus sahen, wunderten sie sich nicht. Gelegentlich nutzten sie ihre letzten Benzinreserven, um die Arbeiter auf die entlegensten Felder zu bringen.
Sie wunderten sich erst, als ihnen die Stille auffiel. Und dass kein Mensch auf dem Feld stand.
Die erste Leiche, auf die sie stießen, lag bäuchlings auf dem Asphalt. Der Junge war erschlagen worden, das eine Bein war ausgerissen, das andere trug einen roten Turnschuh.
»Sie kann nicht weit sein«, sagte Caine. »Wahrscheinlich bleibt sie auf dem Highway.«
»Wir sollten rennen«, schlug Sam vor, obwohl er hundemüde war.
»Du kannst meinetwegen rennen, ich nehme den Bus.«
»Hey, daran habe ich gar nicht gedacht. Hast du schon mal einen Bus gefahren?«
Caine schüttelte den Kopf. »Nein.«
Sam erinnerte sich an den Schreckensmoment vor langerZeit, der ihm den Spitznamen Schulbus-Sam eingebracht hatte. »Du wirst es nicht glauben«, sagte er. »Ich schon.«
Lana hörte hinter sich die Tür aufgehen und gleich darauf, wie sich jemand räusperte.
Ohne hinzusehen, sagte sie: »Ich kann niemanden mehr aufnehmen!«
Seit Stunden tat sie nichts anderes, als in einer Art verzweifeltem Staffellauf von einem Raum in den anderen und wieder zurück in den Flur zu hetzen. Sie lief von einem Kind zum nächsten, legte ihre Hände auf, tat alles, um die schlimmsten Fälle am Leben zu erhalten, verbrachte eine Minute hier und fünf Minuten dort.
Und es funktionierte. Bis auf zwei, die schon halb tot hier angekommen waren, war niemand mehr gestorben. Noch nicht.
Als sie keine Antwort bekam, drehte sie sich widerwillig um. Astrid stand in der Tür.
»Was willst du?«, fragte Lana mürrisch.
»Hast du kurz Zeit?«
»Ob ich Zeit habe? Jede Menge. Wen sollen wir zuerst sterben lassen, während wir miteinander plaudern?«
Lanas rechte Hand lag auf einem etwa zwölfjährigen Jungen, ihre linke auf einem kleinen Mädchen. Der halbe Körper des Jungen war verbrannt, seine Kleider waren mit der Blasen werfenden Haut verschmolzen. Das Mädchen hatte schwere Brandwunden im Gesicht, die es ohne Lanas Heilkünste für den Rest des Lebens entstellen würden.
Lana saß im Schneidersitz auf einem großen Kissen, das sie von einem Patienten zum nächsten hinter sich herzog. Astrid ging neben ihr in die Hocke.
Lana schätzte Astrids Intelligenz und neuerdings auch ihre Härte. Ob sie sie mochte, wusste sie aber bis heute nicht.
»Der Gaiaphage«, begann Astrid.
»Was ist mit ihm?«
»Diana sagt …«
»Ist sie etwa in der Stadt? Na toll. Und du traust ihr?«
»Sie hat uns ein paar wichtige Dinge verraten. Über Gaia. Ihre Tochter .«
Lana schnaubte verächtlich. »Gaia gibt es nicht. Es gab immer nur den finsteren Mistkerl.«
»Diana sagt, der Gaiaphage hasst dich.«
Jetzt lachte Lana laut. »Ach ja? Ist ja komisch, ich ihn nämlich auch.«
Astrid ließ sich nicht aus dem Konzept bringen. »Der Gaiaphage erreicht dich nicht mehr. Deshalb hasst er dich.«
»Das ist sein Problem.«
»Die Frage ist, ob du ihn erreichen kannst, wenn es nötig ist.«
Lanas Miene verhärtete sich. »Warum sollte ich das tun wollen?«
»Weil er hierherkommt. Und ich nach jeder Waffe suche, die wir gegen ihn einsetzen können.«
» Ich bin die Waffe!« Brianna setzte sich auf dem Sofa auf. Ihr Gesicht war zwar nicht mehr feuerrot, aber immer noch wund. An manchen Stellen sah es
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