Licht über den Klippen
auf. »Ich geh schon.«
Dem Gespräch nach zu urteilen, das sich zwischen ihm und dem
Besucher auf dem Flur entspann, kannten sie sich. Als Oliver in die Küche
zurückkam, sah er Susan an und trat einen Schritt beiseite. Der Mann hinter ihm
war kräftig und attraktiv, sein Alter schwer zu schätzen, doch sein gut
geschnittenes rotbraunes Haar schimmerte an den Schläfen bereits grau.
Er zögerte einen Augenblick lang. Claire löste die Spannung mit
einem Willkommenslächeln. »Nigel. Schön, dich zu sehen.«
»Claire. Mark«, begrüßte er die beiden. Mir nickte er kurz zu.
»Susan.«
Susan antwortete nicht. So wie sie ihn anschaute und wie Mark,
Claire und Oliver sie beobachteten, ahnte ich, wer er war: der Mann aus
Bristol, Susans Exfreund.
Nigel wandte den Blick nicht von Susan, bis diese ihre Stimme
wiederfand.
»Hallo, Nigel. Was führt dich nach Cornwall?«
»Ich habe einen Grund zu feiern«, erklärte er mit etwas unsicherem,
entwaffnendem Lächeln.
»Du bist befördert worden«, riet sie.
»Ja.«
»Toll. Das hast du verdient.«
»Es bedeutet, dass ich nach London umziehe. Ich fahre am Wochenende
hin und fange an, nach einer Wohnung zu suchen. Und ich wollte dich fragen, ob
du mich begleitest.«
Ich merkte, wie viel Kraft es Susan kostete, sich gegen seinen
Charme zu wehren. »Das haben wir doch alles schon besprochen. Außerdem brauchst
du mich nicht, um eine Wohnung auszusuchen.«
»Meinst du?«
»Nigel …«
»Gut, dann mache ich es kurz«, sagte Nigel. »Ich liebe dich. Und ich
fühle mich elend ohne dich.«
»Nigel …«
»Bitte, lass mich ausreden. Ich weiß, dass du glaubst, wir hätten
keine gemeinsame Zukunft, aber meiner Ansicht nach täuschst du dich. Und das
würde ich dir gern beweisen.«
Ohne auf uns andere zu achten, nahm er eine kleine, samtbezogene
Schmuckschatulle aus der Tasche.
»Nigel.« Susans Stimme klang matt.
»Susan Hallett.« Wie der Prinz im Märchen kniete er nieder, klappte
das Kästchen mit dem Ring auf und fragte sie: »Willst du mich heiraten?«
»Es ist ihre Entscheidung.« Mark packte die dornigen
Zweige eines Rosenbuschs mit seiner behandschuhten Hand und schnitt einen Trieb
ab.
Seit Nigels Auftauchen und dem Heiratsantrag waren zwei Stunden
vergangen. Susan und er waren mit dem Auto unterwegs, um über seinen Vorschlag
zu sprechen. Wie Mark verbrachte ich die Nachmittagsstunden mit Arbeit, obwohl
ich wusste, dass meine Bemühungen, die hübschen alten Rosen zu fotografieren,
sich als überflüssig erweisen würden, wenn Susan Nigels Antrag annahm und nach
London zog.
»Dann sind die Pläne mit der Teestube dahin«, sagte ich. »Sie hat
doch so viel Arbeit hineingesteckt.«
Mark warf schulterzuckend den Trieb zu den anderen, die bereits auf
dem Boden lagen. »Es wäre nicht das erste abgebrochene Projekt in Trelowarth.
Dad hat die Dinge auch nie zu Ende gebracht. Deswegen ist das Gewächshaus
ungenutzt geblieben«, erinnerte er mich.
Onkel Georges erfolglosen Ausflug in die Kunst des Rosenzüchtens
hatte ich völlig vergessen. »Zumindest hat er’s versucht«, verteidigte ich ihn.
»Und jetzt habt ihr ein Gewächshaus.«
»Stimmt. Und die da«, fügte er hinzu und nickte in Richtung eines
Buschs mit orangefarbenen Rosen, »ist die einzige Hybride meines Vaters.«
»Ach.« Ich machte ein Foto. »Wie heißt sie? Und nenn mir jetzt bloß
keinen lateinischen Namen, Mark«, warnte ich ihn. »Sonst könnte es sein, dass
du dir eine Ohrfeige einfängst.«
»Sie hat weder einen lateinischen noch einen anderen Namen.«
»Warum nicht?«
»Dad hat ihr nie einen gegeben. Das Projekt war bei seinem Tod noch
in der Versuchsphase.« Er schwieg nachdenklich. »Wenn du möchtest, können wir
sie taufen. Dazu sind lediglich ein paar Formulare nötig.«
»Wie würdest du sie nennen?«
»Sag du was.«
Ich berührte vorsichtig eines der Blätter. »Man kann Rosen doch nach
Menschen benennen, oder?«
»Eva.«
»Oder?«
»Ja.«
Ich fotografierte die zerbrechlich wirkende Rose, die in allen
Farben der untergehenden Sonne leuchtete, noch einmal. »Dann soll sie Katrina
heißen.«
Er schwieg.
»Es ist nicht das Gleiche, wie ihren Namen für Werbezwecke zu
nutzen. Sie hat diesen Ort mit seinen Gärten geliebt, und es wäre eine Möglichkeit,
ihr Gedächtnis zu ehren.«
»Na schön«, meinte er nach kurzem Überlegen. »Nennen wir sie also
nach Katrina Ward.«
Obwohl die Gartenmauer den Wind abhielt, strich eine leichte Brise
über meine Wange, als wollte
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