Licht und Dunkelheit
Wangen und glänzenden Augen. Ihre porzellanweiße Haut stand im Kontrast zu der dunkleren von Levarda. Noch nie war es ihr so aufgefallen wie heute.
»Wollt Ihr Euch nicht bedecken?«, fragte Levarda.
»Ich dachte, Ihr wolltet mich untersuchen? Stört es Euch, mich nackt zu sehen?«
»Nein, ich dachte vielmehr, es wäre Euch unangenehm.«
Ihre Cousine lachte gurrend. Wann hatte sich die Wandlung von dem schüchternen, unschuldigen Mädchen in diese verführerische Frau, die sich ihres Körpers und dessen Wirkung so überaus bewusst war, vollzogen?
»Ihr sprecht wie Lord Otis. Ich glaube inzwischen, dass es ihm wesentlich unangenehmer ist, mich nackt zu sehen, als es mir sein sollte.«
Levardas Wangen röteten sich. Statt einer Antwort konzentrierte sie sich auf ihre Arbeit.
Sie legte beide Hände auf Lady Smiras Unterleib, schloss die Augen und lenkte ihre Konzentration auf den Körper unter ihren Handflächen. Sie spürte das Pulsieren der Liebeslust als Vibration in Smiras ganzem Leib, ebenso die Lebensenergie, die unterhalb des Zentrums strahlte, in dem sich bei einer Frau Leben einnistete. Was sie nicht fühlte, war die fremde Energie eines Mannes. Sie runzelte die Stirn, ließ mehr Energie in den Körper unter ihren Händen einfließen. Da rutschte das Mädchen nach oben, so dass ihre Finger sich näher an dem Ort befanden, an dem der Mann eindrang.
»Lasst das«, herrschte Levarda sie an.
Ihre Cousine lachte heiser. »Ich dachte, Ihr würdet gern ein weniger näher an der Stelle sein.« Gehorsam blieb sie liegen und schickte stattdessen Bilder durch ihren Körper, die Levarda hastig abblockte. In diesem Augenblick nahm sie ganz schwach den Impuls einer fremden Energie wahr, nicht sicher, ob dies von dem Echo der Bilder herrührte oder von der Präsenz einer anderen Energie im Körper der Frau.
»Hört mit dem Unfug auf und lasst mich endlich meine Arbeit machen.«
Sofort hielt ihre Cousine inne. »Ist da etwas?«, flüsterte sie aufgeregt.
Levarda nahm all ihre Konzentration zusammen und richtete sie auf den Punkt, an dem sie das Echo der Energie gespürt hatte. Es war sehr schwach. Vorsichtig sandte sie einen Energiepuls aus, und unglaublich träge wanderten die lebensspendenden Säfte nach oben, bis sie auf die wartende Frucht Lady Smiras trafen.
Levarda öffnete die Augen, sah die junge Frau an und lächelte. »Es besteht Hoffnung.«
Sie nahm aus ihrem Beutel einige Kräuter heraus.
»Das nächste Mal, wenn Euch Euer Gemahl besucht, trinkt einen Absud aus diesen Kräutern. Melisana soll sie mit heißem Wasser aufkochen, dann kann sie die Pflanzen entfernen. Das Getränk könnt Ihr mit Wein mischen, das erhöht seine Wirkung. Am besten wäre es, wenn der hohe Lord etwas davon trinkt, bevor –« Sie brach ab, Röte kehrte auf ihre Wangen zurück.
Smira gurrte vor Vergnügen. »Es ist unglaublich! Ihr sorgt dafür, dass ich schwanger werde, aber geniert Euch, mit mir darüber zu reden. Jetzt verstehe ich, warum meine Mutter meinte, Ihr wäret zu jung für diese Aufgabe. Ihr solltet Euch einen Liebhaber zulegen, Levarda, damit Ihr wisst, worum es geht.«
Levarda stand auf und verließ wortlos das Schlafgemach der hohen Gemahlin.
In der Nacht wälzte sie sich im Bett herum, geplagt von Träumen, die mit einem Feuer ganz anderer Art als sonst zu tun hatten.
Diesmal war Lady Smira länger als eine Woche über ihre Zeit, und als die Blutungen doch kamen, wurde sie von heftigen Krämpfen begleitet. Zwei Tage blieb Levarda an Lady Smiras Seite. Was der Körper ausstieß, war ein unvollkommenes beginnendes Leben.
Dieser Umstand gab Anlass zur Hoffnung, machte Levarda aber klar, dass es nur eine Möglichkeit gab, dafür zu sorgen, dass Lady Smira eine Schwangerschaft austragen konnte: Sie musste den hohen Lord untersuchen, aber das würde Lord Otis niemals erlauben. Lady Smira erzählte sie nichts.
Als Levarda am dritten Tag erschöpft und müde zurück in ihr Zimmer kam, wurde sie von Adrijana mit einem Kleid in den Händen empfangen.
Obwohl seine Gemahlin zu Bett lag, plante der hohe Lord einen Festempfang für einen Gesandten, der aus den Ländern hinter dem Gebirge gekommen war.
Levarda winkte ab. »Leg das weg. Ich gehe heute auf kein Fest.«
»Das geht nicht, Lady Levarda, Ihr habt keine Wahl.«
»Wer sagt das?« Levarda sah Adrijana an, die ihren Mund für eine Antwort öffnete, hob herrisch ihre Hand. »Halt, nicht! Es ist mir völlig egal, was er sagt. Ich bin seit zwei Tagen
Weitere Kostenlose Bücher