Licht und Dunkelheit
beim Aussteigen, sie gingen gemeinsam hinein, und er begleitete Levarda bis zum Fuß ihres Turmzimmers.
Sie sah ihn mit einem glücklichen Lächeln an. »Ich weiß nicht, wie ich Euch für diesen Nachmittag danken kann, Lord Otis.«
»Ihr braucht mir nicht zu danken. Ich habe es für Egris getan, nicht für Euch.«
Ihr Lächeln vertiefte sich. »Gute Nacht.«
Als sie langsam die Treppe hinaufstieg, spürte sie, wie sein Blick ihr folgte.
Der hohe Lord
L evarda prüfte ihren Kräutervorrat. Noch war genug vorhanden, dennoch, das Tempo, in dem er sich verringerte, beunruhigte sie. Sie müsste Wochen draußen in den Wäldern verbringen, um die richtigen Stellen zu finden und ihre Vorräte aufzufrischen, und sie wusste, dass sie niemals dafür die Erlaubnis erhielt.
»Adrijana, kannst du Lord Otis fragen, ob ich einen Brief nach Hause schreiben darf?«
Das Mädchen hatte seinen traurigen Blick verloren. Levarda wusste nicht, ob es daran lag, dass Lord Otis sie wieder in sein Bett rief. Sie wollte es auch nicht wissen. Seit dem Nachmittag bei Egris gefiel ihr der Gedanke noch weniger, dass sich Lord Otis eine Gespielin ins Bett holte. Sie ärgerte sich selbst über dieses Gefühl, das sie im Moment überhaupt nicht gebrauchen konnte.
Am Abend kam Adrijana mit der Nachricht zurück, dass sie einen Brief schreiben dürfe, allerdings würde Lord Otis diesen lesen, selbst versiegeln und auf den Weg bringen.
Levarda setzte sich an ihren Schreibtisch, tauchte die Feder in die Tinte und begann zu schreiben.
Zuerst kümmerte sie sich um die vorrangigen Themen, die Auflistung der von ihr benötigten Kräuter. Erst danach fragte sie ihre Mutter nach dem Befinden ihrer Geschwister. Sie erzählte von ihrer Ankunft auf der Festung, der Hochzeitszeremonie und ihrem Leben am Hof, wobei sie immer darauf achtete, dass ihre Worte unverfänglich klangen.
Sie berichtete über Lady Eluis und ihr Buch mit den Märchen aus Mintra. Über Levitus schrieb sie drei Seiten. Zuletzt beschrieb sie den See bei Burg Ikatuk, der sie einerseits an den See Luna erinnerte, und doch in seiner Art einzigartig war.
Adrijana beobachtete sie beim Schreiben, während sie ihre Kleider ausbesserte. Schließlich lagen zwanzig beschriebene Blätter vor Levarda.
»Fertig«, erklärte sie.
»Ich sage Lord Otis Bescheid.« Adrijana verschwand.
Sie starrte auf das Papier, das über und über mit ihrer verschnörkelten Schrift bedeckt war. Sie fühlte sich innerlich leer.
Schließlich stand sie auf, machte es sich auf ihrem Fenstersims bequem mit einem Becher heißen Suds aus Blütenblättern, die sie im Sommer im Garten gepflückt hatte. Vier Monde war es inzwischen her, seit sie die Burg das erste Mal betreten hatte. Gefühlt kam es ihr viel länger vor. Sie beobachtete den Regen, der sich seit Tagen aus dem Himmel ergoss.
Anstelle von Adrijana kam Lord Otis in ihr Zimmer. Er hatte Siegellack und eine Kerze bei sich. Die Tür blieb offen, und zwei Soldaten positionierten sich davor. Er setzte sich an den Schreibtisch und begann ihren Brief zu lesen.
Levarda wusste jetzt, warum sie sich so leer fühlte. Es lag an ihren Erinnerungen, die beim Schreiben hochgekommen waren. Ihr Ziel lag kein Stück näher und sie vermisste ihre Familie unendlich. Außerdem hatte sie begriffen, dass sie ihre Mutter, ihren Vater und ihre Geschwister nie wiedersehen würde.
Sie ließ die Tränen einfach fließen, legte ihren Finger an die Scheibe, und die Regentropfen sammelten sich außen am Fenster darum herum, bildeten verschiedene Formen: eine Blume, einen Baum, den Mond, einen Hirsch, einen Adler.
»Wie macht Ihr das?«
Erschrocken fuhr sie zusammen. Sie hatte nicht bemerkt, dass er aufgestanden und neben sie getreten war. Sie zog ihren Finger von der Scheibe weg. Die Formen lösten sich auf, und das Wasser rann am Glas herab.
Er schob einen Finger unter ihr Kinn und drehte ihr Gesicht zu sich, sodass sie ihn ansehen musste. Mit seiner anderen Hand wischte er ihr die Tränen von der Wange.
»Heimweh«, stellte er leise fest.
Sie zog ihr Kinn von seiner Hand und lehnte ihren Kopf an die Fensterscheibe. Kaum berührte er die Scheibe, bildete sich ein Blütenkranz aus Wasser.
»Und ich dachte, Euer Element wäre die Luft, aber es ist das Wasser.«
Sie antwortete nicht. In ihr steckte eine tiefe Traurigkeit, die sie einfach nicht abschütteln konnte. Sie wollte mit dieser Traurigkeit allein sein, aber Lord Otis machte keine Anstalten, sie zu verlassen.
»Das Bild,
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