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Licht und Dunkelheit

Licht und Dunkelheit

Titel: Licht und Dunkelheit Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Kerstin Rachfahl
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Levarda die linke Hand hoch, bis Sendad die Augen kurz schloss.
    »Ich schwöre bei Lethos, dem Schöpfer der Erde, des Himmels und sämtlicher Geschöpfe, dass ich die Wahrheit sagen werde.«
    Das erleichterte Aufatmen einiger Anwesenden signalisierte ihr, dass sie alles richtig gemacht hatte.
    Der Zeremonienmeister führte sie zu einem Stuhl in der Mitte. Rundherum saßen auf prunkvollen Sesseln die Berater des hohen Lords. Auch Lord Gregorius selbst war anwesend. Er saß an der Spitze einer Reihe und hob sich durch nichts von den anderen Männern ab.
    »Lady Levarda, ist es richtig, dass Ihr seit Monaten den hohen Lord regelmäßig aufsucht?«
    »Ja.«
    »Welchem Zweck dienen Eure Besuche?«
    »Ich kenne mich mit den Heilkräften der Natur aus, den Pflanzen, die Li… verzeiht, Lethos«, sie stolperte über den Namen, »... wachsen lässt, und ich lindere mit ihrer Hilfe die Beschwerden des hohen Lords.«
    »Ihr braucht nicht nervös zu sein, Mylady, wenn Ihr nichts Unrechtes getan habt.«
    »Es fällt mir recht schwer, nicht nervös zu sein, wenn mich sechzehn Männer so intensiv anschauen und meinen Worten lauschen«, erwiderte sie mit einem unschuldigen Lächeln und sah, wie sich einige Männer aufrichteten, den Bauch einzogen und den Kopf hoben.
    »Um welche Beschwerden ging es?«
    »Der hohe Lord hatte Probleme mit dem Essen, er hatte Krämpfe, erbrach sich –«
    »Das reicht, Lady Levarda, Ihr braucht nicht ins Detail zu gehen. Habt Ihr ihn auch anderweitig untersucht?«
    »Ja.«
    »Was habt Ihr untersucht?«
    »Seine Temperatur, seinen Geruch, seinen Pulsschlag –«
    »Auch seine Manneskraft?«, wurde sie unterbrochen.
    Es fiel ihr nicht schwer, rot zu werden und peinlich berührt den Kopf zu senken.
    »Nein.«
    »Verzeiht, Mylady, aber Ihr müsst wissen – seit zehn Jahren wünscht sich das Volk von Forran nichts mehr als einen Thronfolger, und wir müssen sicherstellen, dass er über alle Zweifel erhaben ist. Denkt Ihr mit Eurem Wissen als Heilkundige, dass der hohe Lord in der Lage ist, ein Kind zu zeugen?«
    Levarda lächelte. Auf diese Frage konnte sie eine Antwort geben, denn inzwischen war sie sicher, dass der hohe Lord eines Tages Kinder würde zeugen können.
    »Ja.«
    Ein Raunen ging durch die Reihen.
    »Bedenkt, dass ich nur eine Frau bin und ein solches Urteil auch nur aus dieser Sicht fällen kann.«
    »Mehr wird nicht von Euch erwartet. Ihr könnt gehen.«
    Sie verließ den Raum und machte sich auf den Rückweg in die Frauengemächer.
     
    »Was hat man Euch gefragt?«
    Lord Otis blockierte die Tür zu ihrem Turm. Von den Soldaten war nichts zu sehen. Sie fasste sich kurz.
    »Ob ich denke, dass der hohe Lord in der Lage ist, Kinder zu zeugen.«
    »Und – ist er das?«
    »Ja.«
    Es klang diesmal nicht so sicher wie im Sitzungssaal. Sie konnte die vertraute Energie spüren, wollte sie berühren, sich mit ihr verbinden. Monatelang hatte sie sich nach seiner Nähe verzehrt, aber gleichzeitig griffen ihre Übungen, die sie seit ihrem Zusammenbruch regelmäßig morgens durchführte. Sie war stark geworden, viel stärker, als sie es jemals erwartet hatte. Levarda kontrollierte energisch ihr Bedürfnis – keinen Moment zu früh.
    Er trat dicht an sie heran, sodass sich ihre Körper fast berührten. Sein Kopf senkte sich, seine Lippen schwebten wenige Zentimeter vor ihrem Ohr.
    »Dann frage ich Euch jetzt anders«, sagte er leise. »Ist es sein Kind?«
    Levardas Herz klopfte heftig, ihre Gedanken überschlugen sich auf der Suche nach einer unverfänglichen Antwort.
    »Das, Lord Otis, müsstet Ihr doch am allerbesten wissen!«
    Sie schickte ein stummes Gebet an Lishar, dass er nicht weiter bohren und auf einem Ja oder Nein bestehen möge. Sein Atem beschleunigte sich, seine Lippen streiften ihr Ohrläppchen. Die unachtsame Berührung löste einen Schauer der Erregung in Levarda aus.
    Er wandte sich abrupt um und ließ sie stehen.
    Sie rührte sich erst wieder, als die Soldaten, die er auf dem Weg hinaus zum Wachzimmer im Turm zurückgeschickt hatte, auf ihrem Posten standen.

Agilus
    D er Winter brach mit einem heftigen Sturm über das Land Forran herein. Innerhalb kürzester Zeit verschwanden die Gärten in der Festung unter einer tiefen Schneedecke. Das Essen am Hof reduzierte sich auf einen Getreidebrei am Morgen, eine dünne Suppe am Mittag und Brot am Abend.
    Statt eine Kutsche zu rufen, ging Levarda die Distanz zu Egris’ Haus zu Fuß, da sie es nicht wagte, die Hofetikette zu durchbrechen,

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