Licht und Dunkelheit
indem sie ritt. Bei ihren Besuchen füllte sich der Wohnraum bei Celina zusehends mit kranken Menschen, die ihre Hilfe benötigten. Fieber, Halsentzündungen, Brust- und Lungenleiden machten den Leuten zu schaffen. Die Frauen der Offiziere trafen sich regelmäßig und fertigten winterfeste Kleidung für die Bedürftigen der Stadt an. Andere Unterstützung lehnten die Offiziersdamen hartnäckig ab.
Stattdessen richteten sie von Wilbors Frau veranlasst in einer Scheune am Rande des zweiten Stadtringes eine Räumlichkeit ein, wo Levarda Kranke behandeln konnte. Froh über ihre reichhaltigen Vorräte an Kräutern half sie den Menschen, so gut sie es vermochte. Kurz vor Wintereinbruch war eine weitere Ladung eingetroffen, als hätte ihre Familie geahnt, dass Levarda diese brauchen würde.
Die Sitzungen mit dem hohen Lord, die Versorgung von Lady Smira und ihre Arbeit in der Stadt, die die Frauen vor ihren Männern geheimhielten, zehrten an Levardas Kräften.
Eines Abends kam sie in ihre Kammer und fand einen Stapel Bücher auf ihrem Schreibtisch vor, daneben ein Tablett mit einer übelriechenden Pampe in einem tiefen Teller, Brot und seltsam verschrumpelten Früchten, die ranzig rochen. Sie nahm sich das Brot, schob den Rest beiseite, schnappte sich eine Decke, die ihr Celina gemacht hatte, und begann auf dem Boden vor dem Kamin zu lesen. Die Bücher waren alle von Heilkundigen geschrieben und enthielten Wissen über Krankheiten und deren Heilung in der Zeit des Winters. Irgendwann fielen ihr die Augen zu. Zu müde aufzustehen, rollte sie sich mit der Decke vor dem Kamin ein. Am nächsten Morgen erwachte sie in ihrem Bett.
Am vierten Abend, nachdem sie die Bücher erhalten und sich jeden Tag das seltsame Essen auf ihrem Tisch befunden hatte, das sie sich anzurühren weigerte, wurde sie bei ihrer Rückkehr von zwei Soldaten direkt zum Wachzimmer geführt.
Levarda seufzte tief, als sie den Mann erkannte, der, statt wie üblich am Schreibtisch vor dem Feuer, diesmal am Kamin stand. In den Flammen konnte sie Pferde erkennen, Bären und eine Schlange. Es war erstaunlich, wie rasch Lord Otis all diese Dinge gelernt hatte.
Es ärgerte sie, dass er das Wissen von ihr nahm, bei ihren gemeinsamen Sitzungen mit dem hohen Lord. Sie freute sich jedoch insgeheim, dass er seit der Nacht, als er ihr den Beutel mit seinem Samen überreicht hatte, diesen Treffen fernblieb. Wer wusste schon, was er sonst noch alles herausfinden würde.
»Setzt Euch.«
Der Befehlston ärgerte sie. Sie verschränkte stur die Arme und blieb kurz hinter der Schwelle stehen. Sein Blick wanderte über ihren Körper, sein Gesicht eine einzige steinerne Maske, die Augen glühten, seine Wangen zeigten rote Flecke, ob von der Wärme des brennenden Feuers im Kamin oder vor Zorn, konnte sie nicht einschätzen.
»Setzt Euch!«
Diesmal folgte Levarda. Sie kannte ihn gut genug, um zu wissen, dass in dieser Stimmung mit ihm nicht zu spaßen war. Viel zu erschöpft für einen Schlagabtausch, entschied sie sich, ihm ihre Aufmerksamkeit zu geben, was der einfachste und schnellste Weg war, ihn loszuwerden und zu ihren Büchern zu kommen.
»Esst.«
Verwirrt starrte sie ihn an. Mit einer knappen Handbewegung zeigte er auf einen kleinen Beistelltisch neben dem Sessel, auf dem eine Schüssel mit der grauen breiigen Masse und fünf der seltsamen Früchte standen. Sie verzog das Gesicht, suchte nach dem Brot, fand keines.
»Esst.«
»Das ist eklig.«
»Mir ist es egal, ob Ihr es eklig findet, Ihr werdet es essen.«
»Ich kann es in meinem Zimmer essen, sagt mir, weshalb Ihr mich habt herbringen lassen.«
Er starrte sie an und sie erkannte, dass genau das der Grund war.
»Das ist nicht Euer Ernst.«
»Esst.«
Seine Stimme klang bedrohlich leise. Widerwillig nahm sie den Löffel in die Hand und schob sich eine kleine Portion in den Mund. Das Zeug schmeckte so widerlich, wie es roch. Tapfer schluckte sie es herunter, da sie nicht wagte, es auszuspucken. Langsam steckte sie sich den nächsten Löffel voll in den Mund. Nach der Hälfte der Mahlzeit legte sie den Löffel beiseite. Es reichte.
»Entweder Ihr esst den Rest selber auf oder ich werde ihn Euch in den Mund schieben.«
Mit verschränkten Armen stand er vor dem Kamin, hatte sich die ganze Zeit nicht bewegt, nur geduldig beobachtet, wie sie Löffel für Löffel aß. Immerhin hatte er sie auch nicht mit seiner Energie bedrängt. Aber Levarda sah seinem Gesicht an, dass seine Worte ernst gemeint waren. Sie
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