Licht und Dunkelheit
streichelte ihre Cousine beruhigend, bis sie an ihren regelmäßigen Atemzügen merkte, dass sie eingeschlafen war. Seufzend erhob sie sich von dem Bett. Der Beutel an ihrem Bein verbrannte Levarda. Eine sanfte Stimme flüsterte in ihr Ohr. »Es liegt in deiner Hand, ihr Leben zu retten.«
Wie in Trance griff sie nach dem Beutel, die pulsierende Kraft des Lebens durchflutete sie, drängte alle anderen Gedanken weg. Mit der Energie des Wassers führte Levarda die Hälfte der lebensspendenden Kraft in Lady Smira ein, allerdings erst, nachdem sie restlos alles von Gregorius‘ eigener, mit Schatten verseuchter Kraft entfernt hatte. Ihre Hände zitterten, als sie aus dem Schlafgemach kam. Niemand begleitete sie auf ihrem Weg zurück in ihre Gemächer. Sie nutzte die Chance, schlüpfte im Gang der Dienerinnen in den Garten hinaus und vergrub den Rest der Samen von Lord Otis in der Erde an den Wurzeln des Himbeerstrauches, wie sie es Lord Otis gesagt hatte. Sie gab die Energien der Erde und des Wassers hinzu. Die Worte des Rituals flossen durch ihre Gedanken, die Wurzeln nahmen das Feuer von Lord Otis auf und führten es in die Früchte.
Vier Tage später leuchteten die Himbeeren in einem so verlockenden Rot, dass selbst Hamada, die sonst jegliches Obst ablehnte, davon naschte.
Dem hohen Lord wurde eine Schale mit Beeren gebracht.
Lord Otis blieb Levardas Sitzungen mit dem hohen Lord weiterhin fern, was sie dankbar zur Kenntnis nahm. Sie hatte Angst vor der Ungewissheit, was passieren würde, wenn seine Finger ihren Hals berührten. Konnte Sie das, was sie getan hatte, vor ihm geheimhalten? Und wenn er die Wahrheit erfuhr, was würde er tun? Nein, daran wollte sie nicht denken. Ihr selbst kam ihr eigenes Handeln falsch vor, wenn sie entdeckt würde, lud sie den Tod von Menschen, die ihr viel bedeuteten, auf ihre Schultern.
Sendad stand hinter ihr.
Nachdem Lord Gregorius die Himbeeren gegessen hatte, spürte Levarda unmittelbar eine Veränderung in seinem Inneren: Die Schatten verloren schlagartig an Kraft. Mehr als in allen vorherigen Sitzungen zusammen. Levardas Magen verkrampfte sich. Hätte ein wenig Geduld gereicht? Wessen Stimme war sie in der Nacht gefolgt? Der von Lishar oder der ihrer eigenen Angst?
»Lady Levarda, Ihr zittert. Ist alles in Ordnung mit Euch?« Besorgt legte ihr Sendad die Hand auf ihre Schulter.
»Ich fühle mich heute nicht bei Kräften, es tut mir leid. Hoher Lord, wir müssen die Sitzung abbrechen.«
Sie zog sich aus seinem Körper zurück, faltete die Hände. Was geschehen war, war geschehen. Sie konnte es nicht mehr rückgängig machen.
Tage und Nächte gingen dahin, ohne dass sie ihn sah. Auf den Festen blieb sie an der Seite von Lady Eluis. Es blieb nicht unbemerkt, allerdings schrieb es jeder der verstreichenden Zeit zu. Es gab Nächte, da wünschte Levarda sich, er würde durchs Fenster zu ihr kommen, und alle Konsequenzen einer solchen Nacht kümmerten sie nicht. Ihr Köper verzehrte sich nach seiner Nähe, seiner Energie.
Die Wochen verstrichen, und Lady Smiras monatliche Blutungen blieben aus. Levarda konnte das beginnende Leben deutlich in ihrem Unterleib spüren. Ein kräftiges Leben, rein und klar, ohne Schatten, von keiner Dunkelheit umgeben. Ein Kind, gezeugt aus dem Samen von Lord Otis und der Frucht von Lady Smira. Was hatte sie sich dabei gedacht? Auch wenn beide von dem Betrug nichts wussten, was würde passieren, wenn das Kind Ähnlichkeit mit Lord Otis aufwies? Schlimmer – er würde es wissen, wenn das Baby das erste Lebensjahr vollendet hätte. Dann trat langsam das Energiemuster des Erzeugers hervor, das vorher von dem der Mutter überlagert wurde. Ein Jahr blieb ihr. Sie konnte nur zu Lishar beten, dass das Kind mit blonden Haaren und den feinen Zügen von Lady Smira zur Welt kam und die Spuren des Vaters nicht in seinem Äußeren sichtbar waren.
Sie unterrichtete Lady Smira nicht von dem Ergebnis ihrer Untersuchungen. Sie brachte es nicht über sich, die Freude in den Augen ihrer Cousine zu sehen oder ihre Angst, das Baby zu verlieren.
Lady Smira erstrahlte so von der Energie des beginnenden Lebens in ihr, dass Levarda glaubte, jeder müsse es sehen. Wenn sie sah, wie der hohe Lord seine Gemahlin aufsuchte, lauschte sie die Nacht über auf die Schritte zu ihrem Turm. Sie blieben aus, als würde ihre Cousine ahnen, dass es nicht mehr notwendig sei. Bemerkte es Lord Otis ebenfalls? Seit der Nacht kreisten ihre Gedanken beständig um ihn. Das Licht
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