Licht und Dunkelheit
blicken, bis zu dem Gebirge Gestork, hinter dem das Territorium von König Shahid begann. Sie führte Sita zum Wasser und gemeinsam löschten sie ihren Durst. Sich an die Worte von Lemar vor langer Zeit erinnernd, löste sie nicht den Sattelgurt. In ihrer Satteltasche fand sie ein Tuch, tränkte es mit Wasser und wischte den Schweiß von ihrem Pferd. Sie konnte fühlen, wie Otis sie bei ihrer Arbeit beobachtete.
Zufrieden mit der Erfrischung, ließ sich die Stute einen Klaps auf die Kruppe geben und suchte sich einen Fleck mit saftigem Gras.
»Du solltest sie nicht frei rumlaufen lassen.«
»Mag sein, dass Euer Hengst das Weite sucht, wenn Ihr ihm die Chance gebt, was ich ihm nicht verdenken kann. Aber Sita bleibt bei mir.«
Sie wartete vergebens auf seine Antwort. Dabei wäre ihr ein Streit mit ihm gerade recht gekommen. Der Zorn über ihre Einfältigkeit loderte noch in ihr.
Nachdem Otis Umbra auf die gleiche Weise versorgt hatte, nahm er ein Seil und einen Pflock aus der Tasche, band das Seil um einen Vorderhuf und suchte eine Fläche zum Grasen für sein Pferd.
Levarda machte es sich auf einem Stein gemütlich, kreuzte die Beine, schloss die Augen und ließ den Wind ihr Gesicht streicheln. Otis setzte sich neben sie und breitete den Inhalt seiner Satteltasche zwischen ihnen aus. Brote, ein Stück gebratenes Fleisch, Äpfel, getrocknete Aprikosen, Feigen und Pramplon. Als sie nach einer greifen wollte, hielt er ihre Hand fest.
»Du hast genug Energie, die sind für mich.« Ein schelmisches Grinsen erschien auf seinem Gesicht, viel gefährlicher war jedoch der Ausdruck in seinen Augen.
Hastig entzog sie ihm ihre Hand.
»Kennst du die Geschichte von dem Krieg und der letzten Schlacht zwischen Forranern und Eldemarern?«
»Nein.«
»Willst du sie hören? Du könntest etwas daraus lernen.«
»Über das Töten?«
Er schwieg, sah zu dem Gebirge hinüber. Mit leiser Stimme begann er zu erzählen.
»Damals stand es schlecht um Forran. Die Eldemarer hatten viele Dörfer und Städte um ihre Grenzen erobert, und sie marschierten auf die Hauptstadt zu. Der hohe Lord führte selbst seine Garde in den Krieg zu einer Offensive.
In den ersten Schlachten konnten sie die Eldemarer zurückdrängen – bis ins Gebirge. Seit langer Zeit liegt es als Grenze zwischen beiden Ländern auf dem Gebiet von Eldemar. König Shahids Krieger kannten sich dort bestens aus.«
Er machte eine Pause.
»Was geschah dann?«
Seine leise Stimme hatte Levarda ungewollt in ihren Bann gezogen.
»Sie stellten eine Falle, aber die Forraner konnten sich mit Mut und kämpferischem Geschick daraus befreien. Allein der hohe Lord fehlte, als sich die Forraner neu formierten.
Als man ihn fand, stellte sich heraus, dass ihn ein Bär angefallen hatte. Ein unbekannter junger Mann rettete ihm das Leben – Bihrok.«
Sie wechselten einen vielsagenden Blick, aber Otis ging nicht auf die Sache ein.
»Sie zogen sich weiter zurück und berieten, wie sie die Eldemarer aus Forran vertreiben konnten, sodass sie in Zukunft keine weiteren Übergriffe wagten.«
Er zwirbelte einen Grashalm zwischen seinen Fingern. »In der Nacht kamen die Schatten. – Niemand hatte so etwas jemals erlebt. Schwärze wand sich wie ein Umhang um die Soldaten, drang in Körper und Geist ein. Manche der Männer befiel eine furchtbare Traurigkeit.« Seine Kiefermuskeln traten hervor, als er innehielt.
»Mein Vater sah Krieger, die sich selbst mit ihrem Dolch töteten. Alles schien verloren. – Bis ein helles Feuer ausbrach. Es raste um die Forraner, trieb sie in der Mitte zusammen. Zuletzt flammte es in die Wälder des Gebirges hinein und vertrieb jeden dunklen Schatten. Dort, von wo das Feuer herbeigeschossen kam, stand der junge Mann mit hoch erhobenem Schwert, und wo immer er mit ihm hinzeigte, dorthin liefen die Flammen. In dieser Nacht erlitten die Eldemarer eine furchtbare Niederlage.
Am nächsten Tag kamen der hohe Lord und König Shahid zu Verhandlungen zusammen. Der erste Friedensvertrag zwischen Eldemar und Forran wurde geschlossen.«
»Ihr habt mich belogen, als Ihr sagtet, in den Büchern von Larisan stünde nichts über die dunklen Schatten.«
»Du hast mich belogen.«
»Ich? Nein, Ihr.«
Er lachte: »Nein, ich meine ‚du‘, ich meine natürlich, ich, aber du kannst ‚du‘ zu mir sagen, Levarda, wir sind Mann und Frau. Auch nach dem Recht von Mintra.«
Sie runzelte die Stirn, kniff die Augen zusammen und kaute auf ihrem Brot.
»Wie lange willst du
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