Licht und Dunkelheit
die Blicke der Händler, die ihr folgten, als sie den Weg einschlug, den ihr der Mann gezeigt hatte.
Je näher sie dem Hafen kam, desto enger rückten die Häuser aneinander. Exkremente flossen in schmalen Kanälen die Straße hinab Richtung Fluss. Ein entsetzlicher Gestank.
Die Gasse öffnete sich zu einem kleineren Platz, auf dem sich Lagerhallen befanden. Ein alter Mann, ausgemergelt, mit zerrissenen Sachen und ohne Zähne, bettelte sie um Geld an. Levarda nahm seine Hand und legte ihm ein paar Silberstücke darauf. Es erschreckte sie, in welch schlechtem Zustand sich dieser Mann befand. Sie sandte kurze Heilungsimpulse an die bedürftigsten Infektionsherde, aber um diesem Mann wirklich helfen zu können, hätte es mehr Zeit gebraucht. Der Alte sah sie aufmerksam an.
»Jemand wie Ihr sollte sich nicht am Hafen herumtreiben, erst recht nicht in den frühen Abendstunden.«
»Ich danke für Euren Rat.«
Er verschwand um eine Ecke.
Ihr Herz fing an zu klopfen, ihr Hals verengte sich. Aufmerksamer als bisher sah sie sich um. Langsam bewegte sie sich auf die Mitte des Platzes zu. Die Sonne stand tief und warf dunkle Schatten. Sie brauchte nur die restliche offene Fläche zu überqueren, ein Stück durch eine Gasse gehen, und der Hafen läge vor ihr. Sie konnte das Wasser fühlen.
Als sie bemerkte, dass die Schatten sich bewegten, blieb sie stehen, wob hastig einen Schutzschild um sich herum.
Aus den Hauseingängen hinter ihr, vor ihr, rechts und links kamen kräftige Männer in schwarzer Kleidung heran. Der Kontrast zu dem ausgemergelten Bettler in seinen zerfetzten Lumpen hätte nicht deutlicher sein können. Am meisten beeindruckten Levarda allerdings die Waffen, die sie trugen. Sie machte die Schlaufe ihres Umhangs auf, öffnete ihre Sinne und zählte acht Mann, die sie sehen konnte, sowie zwölf weitere, die sich aus den anderen Gassen zielstrebig zu diesem Ort aufmachten.
Hier fand kein Raubüberfall auf eine Dame statt, die sich vorwitzig in einen Stadtteil gewagt hatte, wo sie nicht hingehörte. Die Männer gingen strategisch vor. Es gab einen inneren Kreis, den sie mit ihren Augen sehen konnte, und einen äußeren, der sich langsam näherte und dabei jede Gasse deckte, die ihr als Fluchtweg hätte dienen können.
Aber ihre Angreifer irrten sich, wenn sie auf eine wehrlose Frau hofften, deren einziger Gedanke der Flucht galt. Ihr Meister hatte immer darauf geachtet, dass sie sich gegen körperliche Angriffe verteidigen konnte. Abgesehen davon hatte sie ihre Kräfte, die sie allerdings kontrolliert und vorsichtig einsetzen musste. Niemand, auch nicht diese Angreifer durften durch die Energie der Elemente sterben.
Auf offenem Feld hätten sie keine Chance. Hier, zwischen den Häusern hütete Levarda sich, die Situation zu unterschätzen. Sie verfluchte ihren Leichtsinn und die Tatsache, dass niemand wusste, wo sie sich aufhielt. Sie atmete tief durch und bewahrte Ruhe.
Der Kreis schloss sich um sie, die Männer warteten in einer Distanz von vier Schritten. Einer verbeugte sich höhnisch lachend vor ihr. Sie erkannte ihn sofort: der Händler mit seiner schwarzen Heilflüssigkeit. Unverkennbar war seine hagere Gestalt, die schiefe Nase, die dunklen Knopfaugen und das strähnige, fettige Haar.
Also gut, dachte sie grimmig, wenigstens bekomme ich meine Chance, diesem Herrn Fragen zu stellen. Seine straffe Haltung zeichnete den Mann eindeutig als Anführer der Gruppe aus. Ihn musste sie zunächst ausschalten.
»Ich fürchte, Mylady, Ihr habt Eure hübsche Nase zu tief in Angelegenheiten gesteckt, die Euch nichts angehen.«
»Ich bin erfreut, dass ich Euch hier treffe, ich suchte nach Euch. Ich habe ein paar Fragen die Ware betreffend, die Ihr anpreist.«
Ihre Stimme klang gelassen, so, wie sie sich fühlte. Das irritierte die Männer immerhin. Levarda konzentrierte sich auf den Händler. Sie streckte ihre Sinne nach ihm aus und nahm eine dunkle Aura um ihn wahr.
»Ihr habt erstaunlich viel Mut«, sagte der Anführer mit einem hinterhältigen Blick.
»Ich bin nicht mutig, nur neugierig. Woher habt Ihr die Flüssigkeit?«
Er grinste, holte eine Phiole aus seinem Umhang hervor. »Meint Ihr das, Mylady?«
Levarda vergaß, auf die Männer zu achten. Sie konnte gleichzeitig zweierlei spüren, als sie ihre Sinne auf das Fläschchen richtete: Ein Teil davon bestand aus Wasser, der andere aus Gefühlen – Verzweiflung, Wut, Hass –, die alle von der Phiole auf sie einströmten. Es verwirrte sie, denn auf
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