Licht und Dunkelheit
jetzt könnt Ihr nicht mehr die Spuren Eurer Prügel verbergen.«
»Was wollt Ihr von mir, Verräter?«
»Ich dachte, Euch wird es interessieren, dass sich Euer Mann nur noch zwei Tagesritte von hier entfernt befindet.« Er sah sie an, als wolle er ihr ein Kompliment machen. »Nicht mehr lange, und er liegt tot vor Euch auf der Erde.«
»Wir werden sehen, wer am Ende tot auf dem Boden liegt.«
»Ihr habt Lord Fenloh gehört, niemand folgt ihm. An den Grenzen befinden sich lediglich Männer von Lord Hector, und der wird Lord Otis für seine Suche nach Euch höchstens eine Abteilung mitgeben. Kein Forraner riskiert einen Krieg mit Eldemar nur Euretwegen. Lord Otis mag seine kriegerischen Fähigkeiten haben, aber eine Armee kann er nicht besiegen, und bei allem Respekt gegenüber Lord Hectors Soldaten – mit den Männern der Garde sind sie nicht zu vergleichen.«
»Und Ihr denkt, Lord Fenloh wüsste, was am Hof passiert? Wie sollte er, wo er doch gestern bei Eurer Besprechung dabei war, habt Ihr Euch das überlegt?«
»Lord Fenloh war gestern nicht hier.«
»Ich habe seine Stimme gehört.«
»Ja, seine Stimme, aber Ihr habt ihn nicht gesehen, nicht wahr?«
»Ich stand unter Prinz Tarkans Bann, ich konnte nichts sehen.«
Lord Eduardo tippte sich an die Stirn. »Stimmt, Ihr lagt ja wie festgenagelt auf dem Boden.« Ein süffisantes Lächeln erschien auf seinem Gesicht.
Levarda spürte Zorn in sich aufwallen, doch ihr war in der Nacht der Gedanke gekommen, dass sie Prinz Tarkans Macht über sich stärkte, wenn sie negative Gefühle zuließ. Sie malte das Bild von Lord Eduardo bei ihrem gemeinsamen Kartenspiel in Lady Eluis‘ Räumen in ihren Kopf: seine Versuche, deren Aufmerksamkeit zu erlangen, die Verletztheit in seinen Augen, wenn es misslang, der Glanz, wenn sie ihm ein Lächeln schenkte. Ihr Zorn verebbte, stattdessen fühlte sie Bedauern.
Lord Eduardo, der ihr Mienenspiel beobachtet hatte, runzelte die Stirn. »Ihr könnt Eure Gefühle überaus geschickt kontrollieren. Das habe ich noch nie erlebt.« Seine Augen verengten sich. »Prinz Tarkan wird wissen, was er mit Euch anstellt.«
Er stand auf, klopfte sich seine Sachen ab. »Ich gebe zu, es macht mir erstaunlich viel Spaß, Euch leiden zu sehen – und in Anbetracht Eurer Dickköpfigkeit wird der Spaß so schnell kein Ende haben.« Er verbeugte sich spöttisch vor ihr und verschwand zwischen den Zelten.
Die Frau, die still gewartet hatte, stand auf und blickte mitleidig auf Levarda herab. »Er wird Euren Willen brechen, verlasst Euch darauf«, brach sie endlich ihr Schweigen. »Es liegt in Eurer Hand, ob Ihr lange leidet oder kurz.«
Dunkelheit
L evarda fühlte ihre Arme nicht mehr, schmiegte ihren Rücken eng an den Baumstamm, begann schließlich zu meditieren, um sich von der unangenehmen Lage abzulenken.
Sie machte ihren Kopf leer von allen Gedanken. Achtsam atmete sie ein, ließ die Luft durch ihren Körper strömen. Je mehr sich ihr Kopf von Gedanken und Gefühlen befreite, desto schärfer wurde ihr innerer Blick. Sie spürte der Energie nach, die die Dunkelheit abgab, setzte alles daran, sie in eine Form zu bringen, aber sie gehorchte ihrer Willenskraft nicht. Stattdessen bemerkte sie etwas anderes. Ein winzig kleines warmes Licht in der Größe ihres Daumennagels. Geschützt in einer Kugel aus Dunkelheit, die sich liebevoll darum schmiegte. Dieses Licht hielt sich nicht im Zentrum ihrer Lebensenergie auf, dem Hort all ihrer Kraft, der Verbindung zu den vier Elementen. Es befand sich unterhalb, eine Handbreit über ihrer Scham. Während sie noch zu verstehen versuchte, erleuchtete sie förmlich die Erkenntnis. Der Beginn eines neuen Lebens, die Frucht der Liebe zwischen ihr und Otis.
Konnte das sein? Aber wieso fühlte sie es erst jetzt? Vergessend, dass sie gefesselt war, bewegte Levarda unbewusst ihre Hand, um sie auf den Bauch zu legen. Die Riemen schnitten ihr ins Fleisch, und sie stöhnte auf. Tränen traten in ihre Augen. Neues Leben entstand in ihr, während sie um ihr eigenes rang. Aber viel wichtiger war die Frage: Warum schützte die Dunkelheit das Leben?
Sie spürte, dass sie ihre Notdurft nicht mehr länger einhalten konnte. »Bitte, ich brauche einen Moment, damit ich mich erleichtern kann«, bat sie, vor Scham errötend. Die Demütigungen, die Prinz Tarkan ihr zufügte, hielten sich die Waage mit dem Schmerz, mit dem sich die Dunkelheit ihrer bemächtigt hatte.
Er hielt sich nicht in seinem Zelt auf. Niemand beachtete
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