Licht und Dunkelheit
hustete, fühlte, wie sie würgen musste. Seewasser floss ihr aus Nase und Mund. Kaum atmete sie regelmäßig, riss er sie hoch und schlug ihr kraftvoll auf beide Wangen.
Sie biss die Zähne zusammen, unterdrückte den Schmerzensschrei.
Sein Zorn brachte die Energie seiner Dunkelheit in Wallung, aber sie entlud sich nicht. Mit glänzenden Augen sah er sie an. »Versuch das nie wieder.«
»Ich werde immer versuchen zu fliehen.«
Er schlug sie erneut auf die Wange.
Sie hielt ihm die zweite hin. »Ihr mögt mich mit Dunkelheit füllen können, aber Ihr könnt mir nicht meinen Willen nehmen.«
Ein bösartiger Ausdruck erschien auf seinen Lippen. »Das werden wir sehen.«
Zurück im Lager, ging er mit ihr auf das größte Zelt zu, das unweit der Stelle stand, die ihrem Zorn zum Opfer gefallen war. Seit dem Vorfall am Wasser hatte sich sein Griff um ihr Handgelenk nicht gelockert. Er schleifte sie hinter sich her, egal, ob sie stolperte oder hinfiel. Ihre Knie zitterten von dem verlorenen Kampf gegen die Dunkelheit und dem Mangel an Nahrung. Er warf sie vor einem Baum auf den Boden, holte aus seinem Waffenrock Lederriemen hervor. Mit wenigen Griffen hatte er sie an den Baum gefesselt. Ihr Rücken lehnte an dem Stamm, ihre Hände band er dahinter fest zusammen, so als umarme sie den Baumstamm, nur rückwärts.
»Je mehr du an den Fesseln ziehst, umso fester schneiden sie dir in das Fleisch. Wenn du bereit bist, das Bett mit mir zu teilen, sag mir Bescheid. Ich schlafe direkt neben dir im Zelt.«
Levarda spuckte ihn an. Sie ließ ihren Zorn nicht weiter aufwallen, weil sie wusste, dass er diese Energie mühelos kontrollieren konnte. Die Hitze ihrer Wut reichte allerdings, ihre nassen Sachen zu trocknen.
Er stand auf und wob eine dichte Mauer aus Dunkelheit um sie herum. Wie zuvor bei dem Zelt verstummte jedes Geräusch um sie. Er tat ihr damit einen Gefallen, sie endlich allein zu lassen. Erschöpft ließ sie ihren Kopf gegen den Baumstamm sinken.
Sie bewegte einmal vorsichtig ihre Hände. Er hatte nicht gelogen, die Riemen zogen sich zusammen. Levarda schloss die Augen. Lieber würde sie an diesen Baumstamm gefesselt sterben, als das Bett mit ihm zu teilen. Nicht gewohnt, zu hungern, zu frieren oder Schmerzen zu empfinden, spürte sie Mutlosigkeit in sich hochkriechen. Die Schmerzen waren das Schlimmste für sie, weil sie sich für ihre Schwäche schämte. Bisher hatte sie nur erlebt, dass Eisen ihren Kontakt mit den Energien verhinderte. Jetzt gab es keine Energie von den Elementen mehr in ihr, nur noch Dunkelheit.
Die Sonne verschwand, der Mond erschien am Himmel – eine feine, schmale Sichel.
Sie hob ihren Kopf empor, konnte die Energie aber nicht fühlen. Tränen füllten ihre Augen, Angst kroch durch ihre Adern. Verzweifelt schob sie alle Gedanken beiseite, suchte nach etwas, das sie tröstete. Otis‘ Gesicht erschien. Für einen Augenblick erhellte der Anblick des geliebten Mannes ihre Seele. Ausgerechnet durch das Bild ihrer Todesvision fühlte sie sich getröstet. Wie viel lieber würde sie von der Hand, die sie liebte, mit einem Schwert getötet, als von der Dunkelheit erstickt. Mit diesem Gedanken im Kopf dämmerte sie weg.
Sie wachte auf, weil sie das Gefühl hatte, angestarrt zu werden. Die Sonne schickte ihre ersten Strahlen über die Ebene. Eine Frau hockte vor ihr auf dem Boden, etwas zu essen und zu trinken in den Händen. Sie vermutete, dass es sich um die Frau aus dem Tempel handelte, deren Gesicht sie unter dem Schleier nicht gesehen hatte.
Wortlos begann sie, Levarda mit Brot zu füttern, einem Streifen kalt gebratenen Fleisches und getrockneten Früchten.
Sie kaute langsam und bedächtig. Schluckte, wartete ab, ob ihr Magen die Nahrung vertrug, bevor sie den nächsten Bissen annahm. Das Fleisch verweigerte sie. Sie wollte nicht noch mehr Totes in sich aufnehmen.
»Wie lautet Euer Name?«
Die Frau schwieg.
»Ihr müsst einen Namen haben.«
Die Frau schob ihr zwei Aprikosen in den Mund.
»Ich weiß, dass Ihr mich versteht und dass Ihr reden könnt.«
Die Frau legte einen Finger auf den Mund.
»Sie darf nicht mit Euch reden. Er wird sie bestrafen, wenn sie seinen Befehl missachtet. Macht Euch und ihr das Leben nicht unnötig schwer.« Lord Eduardo setzte sich neben sie. »Ihr scheint es gemütlich zu finden, an den Baum gelehnt.«
Diesmal schwieg sie und ignorierte den Mann vor sich.
Er betrachtete ihr misshandeltes Gesicht. »Ihr habt Eure Heilkräfte verloren. Schade,
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