Licht und Dunkelheit
um den Wagen herum.
Sie konnte die Anspannung der Männer förmlich greifen. Ihr Herzschlag beschleunigte sich, bis sie daran dachte, dass sie mehr Sinne besaß, als Augen, Ohren und Nase ihr boten. Sie schob die Kapuze ihres Reisemantels tief ins Gesicht, verknotete die Zügel vor sich und schloss die Lider.
Der Zug setzte sich in Bewegung. Levarda sandte ihre Energie aus. Dabei musste sie erst jeden einzelnen Mann der Garde in seinem Energiemuster kennenlernen. Mit ihren Sinnen umrundete sie die Truppe. An der Spitze traf sie auf die Aura von Lord Otis.
Inzwischen befand sich der Tross in den Tiefen des Waldes. Levarda bemerkte einen Reiter, der ihnen zügig entgegenkam, und hob alarmiert den Kopf, doch es handelte sich nur um Sendad, wie ihre Sinne ihr mitteilten. Seine Ausstrahlung war ihr am vertrautesten. Für einen Moment entglitt die Umgebung ihrer feinen Wahrnehmung – dann ging alles unglaublich schnell.
Fast gleichzeitig mit Sendads Warnschrei bemerkte sie die Angreifer, die vorn und hinten auf den Tross zustießen. Den Bogen packen, die Sehne spannen und einen Pfeil einlegen war eine einzige fließende Bewegung für sie. Levarda spannte und schoss. Der Mann fiel von einem tief hängenden Ast auf die Kutsche herab. Sie spürte, wie Übelkeit in ihr aufstieg. Noch nie im Leben hatte ihr Pfeil einen Menschen getötet. Instinkte hatten sie handeln lassen, ohne nachzudenken. Erst jetzt bemerkten die Gardisten, dass die Gefahr in den Bäumen lauerte.
Während Lemar und Timbor den rückwärtigen Angriff im Zaum hielten und Lord Otis den vorderen, sah sie, wie Sendad mit seinen Reitern Egris zu Hilfe eilte. Auch er hatte bemerkt, dass die Angreifer es auf die geschützte Kutsche abgesehen hatten.
Levarda drängte Sita in den freien Raum vor das Gefährt hinter die kämpfenden Männer.
Der Ring zog sich dichter um sie. Einige Angreifer sprangen von den Bäumen auf das Dach der Kutsche. Ein paar holten die Soldaten von der Garde mit ihren Pfeilen herunter, aber es wurde schwierig für sie, die Angreifer von der Seite und die von den Bäumen gleichzeitig zu bekämpfen.
Es half nichts. Levarda sah sich gezwungen, einzugreifen. Mit kühlem Kopf stellte sie sich vor, dass sie Tiere jagte, schoss so ihre Pfeile sicher und tödlich.
Erst nahm sie sich die in den Bäumen vor, dann zielte sie auf die Angreifer, die sich von der Seite näherten. Dabei scheute sie sich auch nicht, zwischen den kämpfenden Männern hindurch auf ihr Ziel zu schießen. Sie besaß ein sicheres Augenmaß und ihre Pfeile reichten weit.
Sendad sah auf, als sie einen Mann direkt über ihm abschoss, starrte sie an und vergaß, auf die Gegner zu achten.
Levarda schrie auf – zu spät. Ein Schwert durchstach von hinten seine Brust – glitt wieder heraus. Sie stieß Sita die Fersen in die Flanken, drängte sich zu Sendad durch, sprang vom Pferd und fing ihn auf, als er gerade mit überraschtem Gesichtsausdruck aus dem Sattel rutschte.
Sie legte ihn am Boden ab, schob ihren Arm unter seinem her um seine Brust, fixierte mit ihren Händen die Arme des Verletzten und zog ihn Richtung Kutsche, wo sich das Kampfgetümmel inzwischen lichtete. Sie war nur einen Moment abgelenkt, hörte hinter sich ein Geräusch und ließ Sendad los, um sich blitzschnell aus der gebückten Haltung aufzurichten. Sie erstarrte, als ein Schwert unterhalb ihrer Rippen ihre Haut ritzte – hinter ihr steckenblieb. Sie sah Lord Otis‘ wutverzerrtes, hasserfülltes Gesicht vor sich, verstand nicht, warum sie lebte, warum er an ihr vorbeigezielt hatte. Dann sackte der Mann, der sie von hinten angegriffen hatte, über ihr zusammen.
Die Kampfhandlungen waren wenig später beendet. Nach dem Schock hatte Levarda sich unter dem Toten hervorgearbeitet und sich neben den verwundeten Sendad gekniet. Ihre Hände legten sich auf seine Wunde, aus der das Blut in Strömen herausfloss. Verzweifelt sandte Levarda all ihre Energie in seinen Körper, tastete sich mit ihrem Geist zu der Verletzung vor.
»Lasst ihn sofort los«, hörte sie eine barsche Stimme, die sie mit aller Kraft zu ignorieren versuchte. Sie musste schnell handeln, sonst würde sie nichts mehr für ihn tun können.
Da vernahm sie die tonlose, schwache Stimme von Lady Smira.
»Lord Otis, bitte lasst sie machen, sie weiß, was sie tut, vertraut mir.«
Levarda blendete alles aus, konzentrierte sich auf die Wunde, führte Adern zusammen, gab ihnen Energie, weckte die Selbstheilungskräfte in Sendads Körper, doch
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