Licht und Dunkelheit
selbst an.
»Er kann in die Kutsche«, bot Lady Smira an.
Überrascht sah Lord Otis auf, runzelte die Stirn und schüttelte den Kopf.
»Doch, das ist ein sinnvoller Vorschlag«, meldete sich Levarda zu Wort. »Ich muss bei ihm bleiben. Er ist schwer verletzt und ich weiß nicht, ob Bewegung ihm schadet.«
Seinem Blick konnte sie entnehmen, dass sie zu weit gegangen war. Was aber nutzte es, Sitte, Anstand und Regeln zu beachten, wenn ein Mann dabei starb?
Sie maßen sich mit den Augen, und Levarda gewann das stumme Duell. Der Verletzte wurde auf den Boden der Kutsche zwischen die Bänke gebettet. Levarda kniete sich hin und nahm seinen Kopf in ihren Schoß. So konnte sie seinen Körper bei dem Heilungsprozess unterstützen.
Die Frauen kletterten vorsichtig zurück in das Gefährt und legten ihre Füße auf die gegenüberliegende Bank. Ihre Kleider bedeckten den Leib des Kriegers.
Die Pferde zogen an, und der Tross setzte sich in Bewegung.
In der Kutsche herrschte bedrücktes Schweigen. Auf einer getrockneten Feige kauend, verdrängte Levarda jedes Bild des Kampfes und derer, die sie getötet hatte, ebenso die Vision aus Lord Otis‘ Vergangenheit. Alle Energie, die sie aus der Nahrung zog, gab sie an Sendad weiter. Er durfte nicht sterben. Sie gab sich die Schuld, weil sie ihn abgelenkt hatte.
Wie lange sie fuhren, konnte Levarda nicht sagen. Sie bewegte sich wie in Trance zwischen zwei Welten. Zwischendurch wechselte sie den Heilstein aus, und allmählich schöpfte sie Hoffnung. Sendads Herz schlug kräftiger, der Körper begann mit seinem Heilungsprozess.
Als die Kutsche anhielt, legte sie vorsichtig den Kopf des Verletzten ab und stieg aus. Beim Meditieren verharrte sie oft stundenlang in einer Haltung, doch dabei schöpfte sie Energie und gab sie nicht ab, so wie jetzt. Kaum berührten Levardas Füße den Boden, sackte sie zusammen. Unendliche Müdigkeit ergriff sie, aber sie durfte nicht schlafen. Mühsam zog sie sich an der Kutsche hoch.
Lord Otis kam in Begleitung mehrerer Leute heran. »Wie geht es ihm?«
»Er lebt.«
Der Lord gab seinen Männern ein Zeichen und vorsichtig zogen sie Sendad aus der Kutsche.
»Passt auf und haltet in waagrecht, hüllt ihn in warme Decken. Wie lange können wir rasten?«, feuerte Levarda Anweisungen und Fragen ab.
»Ein paar Stunden, dann müssen wir wieder aufbrechen«, erklärte Lord Otis knapp. Er wandte sich an Lady Smira: »Verzeiht Mylady, aber wir können Euer Zelt nicht aufbauen. Egris wird Euch in eine Höhle geleiten. Die Männer haben bereits Eure Betten aufgebaut. Ruht Euch dort aus, Ihr werdet Eure Kräfte für den morgigen Tag brauchen.«
Er richtete sich an Levarda, die an der Kutsche lehnte und verfolgte, wie die Soldaten Sendad wegtrugen. »Ihr solltet Euch ebenfalls ausruhen.«
Sie schüttelte den Kopf. »Ich brauche einen kleinen Schluck Wein, viel Wasser und Fleisch, könntet Ihr mir das besorgen?«
Er nickte.
Sie stieß sich ab, aber ihre Beine zitterten noch immer vor Schwäche. Entschlossen packte er sie und hob sie in seine Arme. Levarda protestierte nicht. Es gab auch keine Energie mehr, die in ihr explodieren konnte, als die Hitze seines Feuers auf sie traf. Sie ließ es einfach zu, dass sich ihre Kräfte verbanden. Erschöpft lehnte sie ihren Kopf an seine Schulter.
Er trug sie einen schmalen Pfad hoch, betrat die Höhle, in die bereits Sendad gebracht worden war, und setzte sie behutsam auf ihre Füße. Levarda ließ sich direkt auf der Erde nieder.
Ein Soldat brachte Wein, Wasser, Fleisch und Brot. Lord Otis goss Wein in einen Becher, verdünnte ihn mit Wasser und flößte ihr das Getränk ein.
Der Alkohol entspannte Levardas Körper, und wie ausgetrocknete Erde saugte er die Feuchtigkeit in sich ein. Gierig trank sie alles aus.
Als Lord Otis ihr reines Wasser nachfüllte, leerte sie einen Becher nach dem anderen, aß das Fleisch, das der Soldat auf einem Teller vor ihr abgestellt hatte. Langsam hörte das Zittern auf und ihre Kraft kehrte zurück.
Nicht mehr lange, dann würde die Sonne untergehen. Sie streckte ihren Körper und kroch zu dem stillliegenden Sendad hinüber. Der Heilstein um seinen Hals leuchtete matt. Inzwischen hielt er etwas länger. Levarda suchte sich eine bequeme Stellung und bettete erneut seinen Kopf in ihren Schoß. Sie legte ihre Hände über seine Stirn.
»Ich möchte Euch helfen«, Lord Otis‘ Stimme klang rau, »sagt mir wie.«
»Er bedeutet Euch sehr viel«, stellte sie leise fest.
»Ja«,
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