Licht und Dunkelheit
bedeuteten, solche Schmerzen verursachte, was würde erst sein Tod in ihr auslösen? Sie wagte es nicht einmal, daran zu denken.
Prinz Tarkan ritt die Reihen seiner Truppe entlang und bellte Befehle, die sie nicht verstand. Nein, auf keinen Fall durfte er Otis folgen. Irgendetwas musste Levarda tun. Sie spürte, wie der Kampf von Dunkelheit und Licht in ihr begann. Schmerzen durchzuckten ihren Körper. Angst durchflutete ihre Adern. Sie keuchte auf, riss an den Riemen, die ihr inzwischen tief ins Fleisch schnitten.
»Levarda, beruhige dich. Je mehr Angst du hast, je mehr Panik, umso stärker ist die Dunkelheit, und umso größer ist seine Macht.«
Eindringlich hörte sie die Stimme von Otis in ihrem Kopf sprechen. Sie schüttelte sich, ihr Geist spielte ihr etwas vor. Sie wurde verrückt. Ihr Amulett erwärmte sich und brachte sie zur Besinnung. Es gab nur eine Möglichkeit, dem Wahnsinn ein Ende zu bereiten. Sie brauchte Zugang zu der Energie ihrer Elemente. Fieberhaft überlegte sie.
Im See hatte sich ihre innere Quelle verstärkt, nachdem das Leuchten des Lebens in ihrem Innern zugenommen hatte. Die Dunkelheit hatte sich zurückgezogen und es akzeptiert, auch die Energien der Erde und der Luft. Nach dem, was Prinz Tarkan ihr angetan hatte, war die Dunkelheit eine dichte, undurchdringliche Masse geworden und erstickte alles andere in ihr.
Sie schloss die Augen, suchte nach der Lebensenergie ihres Kindes und fand sie. Ein Kreis aus Dunkelheit schützte das Licht, während der äußere Teil der Dunkelheit es zu erreichen suchte.
Neue Geräusche drangen an ihr Ohr, die ihre Konzentration durchbrachen. Alarmiert riss sie die Augen auf.
Die gesamte Armee der Eldemarer hatte sich anscheinend auf der Ebene neu formiert. Entsetzt sah Levarda die Masse an Soldaten und fühlte ihren Durst nach Blut. Das musste die Dunkelheit in ihr sein, die nach Tod und Verderben lechzte. Panik schoss erneut durch ihren Leib, gefolgt von einer weiteren Schmerzwelle. Die Dunkelheit in ihr begann ihren eigenen Krieg. Levarda keuchte auf, Schweiß strömte ihren Körper herab, sie sackte in sich zusammen, nur noch gehalten von den Riemen, die ihr tiefer und tiefer ins Fleisch schnitten.
Auf der Ebene erklang der dunkle Ton eines Horns.
Mühselig sammelte sie ihre Kräfte, hob ihren Kopf und schaute über die Ebene.
In den Reihen der Eldemarer herrschte Spannung. Selbst von der Distanz aus konnte sie Prinz Tarkans Wut spüren, als Vibration der Dunkelheit. Für einen Moment verebbte der Kampf in ihrem Körper und sie bekam Luft. Die Hügelketten füllten sich mit Kriegern, aber es waren keine Eldemarer, diesmal waren es die Forraner. Sie erkannte die Fahnen mit den Symbolen von Sendad, Lemar, Timbor, Egris, Wilbor und Eremis. Alle führten ihre Leute an – jeweils drei Offiziere auf jeder Seite, in der Mitte Otis und mit erhobener Hand neben ihm Lord Hector.
Als Lord Hector seine Hand senkte, kam Bewegung in die Forraner. Für einen Moment begriffen die Eldemarer so wenig wie Levarda, was da auf sie zurollte.
Während sie es für ein Hirngespinst ihres Geistes hielt, erfassten die Krieger aus Eldemar zügig die neue Lage, machten sich zur Verteidigung bereit und begegneten dem Vorstoß der Truppe mit Schlachtgebrüll.
Die beiden Armeen prasselten gegeneinander. Voller Entsetzten musste Levarda mit ansehen, wie Männer sich gegenseitig zerstückelten, töteten, mit der vollen Wucht ihrer Manneskraft, ihrer Wut, mit Hass und Präzision. Ihr eigener Leib verwandelte sich in ein einziges flammendes Inferno.
Prinz Tarkan und Otis hielten Abstand voneinander. Levarda verstand den Grund dafür, als die beiden Kontrahenten sich einmal zu nahe kamen. Sah die Tentakel der Dunkelheit, die versuchten, Otis zu umschlingen. Kaum erreichten sie seine Aura, flammte Feuer auf, das zwei Männer das Leben kostete, einen Forraner und einen Eldemarer. Die freigelassene Energie unterschied nicht zwischen Freund und Feind.
Otis zog sich blitzschnell von Prinz Tarkan zurück. Entsprechend ihrer eigenen Erfahrung mit Prinz Tarkans Kräften wirkten sie nur auf eine begrenzte Distanz.
In Levarda tobte der Schmerz in einer Heftigkeit, dass sich ihr Körper nur noch taub anfühlte. Das gab ihr die Fähigkeit zurück, sich auf ihre Gedanken zu konzentrieren. Diese Menschen starben ihretwegen. Ihre Aufgabe bestand darin, den Frieden zu bringen. Sie durfte nicht der Auslöser für einen Krieg sein. Sie musste das Ganze beenden. Sie schloss die Augen.
Alle
Weitere Kostenlose Bücher