Licht und Dunkelheit
entzündete er das Holz, auf dem sie noch stand.
Sie faltete die Hände, führte sie zu ihrer Stirn und legte sie auf ihr Herz. Die Flammen machten ihr keine Angst. Sie hatte ihre Hitze im Traum zu oft gespürt. Mit offenen Augen sah sie ihm entgegen. »Ich verzeihe Euch, was Ihr getan habt – alles, was Ihr getan habt.«
Doch er wollte ihre Vergebung nicht. Stattdessen zog er sein Schwert aus der Scheide, drückte seinem Pferd, das vor den Flammen scheute, brutal die Fersen in den Leib. Er stieß mit solcher Kraft die Klinge in Levardas Brust und durch ihr Herz, dass sie aus ihrem Rücken herausfuhr.
Sie hörte den Schrei eines Mannes, der sich wie ein Echo fortsetzte. Mit weit aufgerissenen Augen sah sie Prinz Tarkan an.
»Was habt Ihr getan?«, formten ihre Lippen.
»Wer bist du, dass du glaubst, mir verzeihen zu können?« Seine Stimme überschlug sich.
Unter Tränen, die ihre Wangen herabliefen, antwortete sie:
»Ich bin die Tochter von Lishar, geboren aus ihrer Liebe zu Lethos, beschenkt mit der Gabe der vier Elemente, Wasser, Erde, Luft und Feuer.«
Die Dunkelheit verdichtete sich um Prinz Tarkan. Ein ohrenbetäubendes Grollen ertönte vom Himmel. Ein Blitz zuckte durch das Zwielicht auf die Dunkelheit nieder, und von Prinz Tarkans Körper blieben nur Asche und Wasser.
Das Letzte, was Levarda sah, war der Schmerz im Gesicht von Otis, der sie hielt und nach dem Schwert in ihrer Brust griff.
»Ich liebe dich«, flüsterte sie mit kindlichem Erstaunen.
»Fass das Schwert nicht an, Otis«, hörte sie jemand laut brüllen. Ob Otis dem Folge leistete, konnte sie nicht mehr sehen. Ihr Leben lag in seinen Händen, und das Schicksal hatte vor langer Zeit bestimmt, dass er es ihr nahm.
Wenn sie wählen dürfte, wodurch sie sterben wollte, dann durch seine aus Liebe geführte Hand. Glücklich schloss sie die Augen.
Licht
O tis kniete vor der Holzkonstruktion in seinem Zelt, auf dem die Offiziere Levarda aufgebahrt hatten. An allen vier Ecken hatte Sendad eine Schale mit Kräutern aufgestellt. Unter ihnen brannten Feuer und verteilten so den Duft der Pflanzen in dem Zelt – eine Zeremonie für Verstorbene, damit Freunde und Angehörige Abschied nehmen konnten.
Er hatte es gegen den Willen von Otis gemacht, der nach zwei Tagen immer noch nicht akzeptieren wollte, dass Levarda zu den Toten zählte.
Alle anderen kamen in das Zelt, erwiesen ihr die letzte Ehre eines in der Schlacht gefallenen Kriegers.
Trotz des aufreibenden Kampfes waren die Opfer unter beiden Armeen gering. Levardas Eingreifen hatte dem Krieg ein Ende bereitet. Im Angesicht der Urgewalten und des Todes von Prinz Tarkan hatten sich die Eldemarer ergeben. Der heilende Regen hatte Feind und Freund gleichermaßen das Leben gerettet. Lord Hector verdankte dem heilenden Nass, dass seine Wunde ihn nicht getötet hatte.
Selbst Eldemarer baten, Abschied nehmen zu dürfen, darunter eine Frau namens Tamara.
Die Scheiterhaufen für die Verstorbenen waren errichtet und seine Offiziere drängten Otis, Levardas Körper dem Feuer zu übergeben, doch alles in ihm sträubte sich dagegen.
Er hatte das Schwert nicht berührt, war sogar Sendad in den Arm gefallen, der ihm daraufhin vor lauter Erregung einen Kinnhaken verpasste.
»In uns fließt dasselbe Blut!«, hatte Otis geschrien und ihn ein zweites Mal daran gehindert, das Schwert aus Levardas Leib herauszuziehen. Seine Worte ließen Sendad erstarren.
Egris vollbrachte am Ende, was keiner von ihnen konnte. Das Schwert war blutbedeckt, doch trat aus der Wunde kein weiteres Blut aus.
Otis war auf Umbra gestiegen und Sendad hatte ihm Levarda hochgereicht. Mit ihr in den Armen war er zum nächsten Fluss geritten, dorthin, wo sich auch das Lager befand. Ihren Kopf stützend, hatte er sie ins Wasser gehalten, aber die Wunde schloss sich nicht, weder die in ihrer Brust noch all die anderen an ihren Hand- und Fußgelenken. Ihr Gesicht wies Spuren von Misshandlung auf. Am meisten entsetzte ihn jedoch die Leichtigkeit ihres Körpers. Aber erst, als er sie aus dem Fluss in sein Zelt trug, sie auszog, um ihr ein kraftgefülltes Kleid aus Mintra anzuziehen, entdeckte er das volle Maß der Misshandlungen.
Er hatte innegehalten. Sie war so dünn, dass er ihre Rippen einzeln hätte zählen können. Ihre Hüftknochen stachen hervor. Ihr Körper war übersät mit Spuren von Schlägen, und auch ihre Oberschenkel wiesen grüne und blaue Male auf. Fassungslos hatte er einen Moment lang nicht mehr gewagt, sie zu
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