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Licht und Dunkelheit

Licht und Dunkelheit

Titel: Licht und Dunkelheit Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Kerstin Rachfahl
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Lady hätte so etwas niemals akzeptiert, dachte sie ein wenig amüsiert.
    Sie richtete sich ihr Nachtlager am Zelteingang ein, gerade nahe genug, dass sie beim Einschlafen fühlte, wie ihr der Nachtwind um die Nase wehte.
     
    Schweißgebadet zuckte Levarda hoch. Um sie herum war tiefe Dunkelheit. Etwas hatte sie mit Gewalt aus dem Schlaf gerissen. Aber was? Ihr Atem ging stoßweise, als wenn sie gerannt wäre. Sie versuchte sich zu orientieren, doch die undurchdringliche Schwärze gab ihr keinen Anhaltspunkt. Glühende Punkte tauchten vor ihr auf, näherten sich unaufhaltsam. Sie wich zurück, schrie auf. Panisch tastete sie nach ihrem Dolch, den sie beim Schlafen neben sich gelegt hatte, doch da war nichts – gar nichts, nur Kies. Verwirrt hielt sie mit dem Tasten inne, sie hatte sich doch auf ihr Fell gelegt und das Zelt stand auf Gras. Jemand rief sie mit leiser Stimme. Erneut schrie sie auf, dann kristallisierten sich aus der schwarzen Dunkelheit die Gesichter von Männern heraus. Sie zählte sieben von ihnen. Einer davon war der Räuber, den sie mit dem Schwerthieb getötet hatte. Die Männer kamen immer näher und bildeten einen enger werdenden Kreis um sie. Voller Panik flüsterte Levarda: »Ich wollte Euch nicht töten. Ich wollte Euch nicht töten.«
    Sie spürte einen festen Schlag auf ihrer Wange und einen dumpfen Ruck, als ihr Geist in ihren Körper zurückkehrte.
    Zitternd vor Kälte sah sie zwei Soldaten vor sich stehen. Lord Otis hockte mit finsterer Miene vor ihr, die Hand zu einem zweiten Schlag erhoben. Als er ihren Blick bemerkte, ließ er sie sinken. Die Finsternis in seinem Gesicht lichtete sich.
    »Ihr könnt ins Lager zurückkehren.« Mit einer knappen Handbewegung schickte er die Soldaten weg.
    Verwirrt sah sich Levarda um. Sie hockte am Ufer des Sees, rund um sie herum war der Boden aufgewühlt. Vorsichtig legte Lord Otis seinen Umhang über ihre Schultern. Sie starrte ihn verständnislos an, nicht sicher, ob sie träumte oder wach war, hatte keine Luft mehr.
    »Versucht es mit Atmen«, hörte sie Lord Otis‘ Stimme in beruhigendem Tonfall.
    Levarda saugte Luft in sich hinein. In ihrem Kopf klopfte es heftig, am liebsten hätte sie die Augen geschlossen, aber sie wagte es nicht, aus lauter Angst, ihr Geist würde sich erneut von seiner Hülle lösen. Denn das hatte er ohne Zweifel getan. So steif und kalt, wie ihr Körper sich jetzt anfühlte, fing ihr Herz doch langsam wieder an zu schlagen. Alle ihre Organe waren stehengeblieben, da es nichts gegeben hatte, das die lebenswichtigen Funktionen steuerte. Aus diesem Grunde war es nicht ratsam, Körper und Geist länger zu trennen. Überhaupt wurde diese Technik nur selten praktiziert. Levarda hatte sie noch nie angewandt und konnte sich beim besten Willen nicht einmal daran erinnern, es heute getan zu haben. Das entsetzliche Gefühl, fremd in ihrem eigenen Körper zu sein, steckte ihr in den Knochen.
    Sie starrte in das Gesicht ihres Gegenübers, um herauszufinden, ob es nur so aussah wie das von Lord Otis und ob sich dahinter in Wirklichkeit eine Gestalt der Getöteten verbarg.
    »Levarda, seid Ihr hier? Könnt Ihr mich verstehen?« Seine Stimme klang eigenartigerweise sanft, und das war verkehrt, so sprach der erste Offizier der Garde nicht mit ihr. Sie wagte nicht, einen Laut von sich zu geben oder sich zu rühren, lauerte stattdessen auf den nächsten Angriff.
    Lord Otis rückte ein Stück näher an sie heran, hob die Hand.
    »Nein, nicht«, Levarda zuckte zurück, ihre Wange brannte noch von dem ersten Schlag.
    Er hielt inne.
    Langsam tastete sie mit ihrer Hand nach der schmerzenden Wange. Sie fühlte sich heiß an. »Es tut weh«, flüsterte sie erstaunt.
    Der Ausdruck in seinem Gesicht verschloss sich. »Verzeiht, dass ich Euch wehgetan habe. Ich hatte keine Ahnung, wie ich Euch sonst erreichen kann.«
    Für Levarda ergab das alles keinen Sinn. Aber eines war sicher – sie träumte nicht. Fröstelnd zog sie seinen Umhang enger an sich. Sein Feuer steckte fühlbar in dem Stück Stoff. Es hüllte sie ein, entfachte die Wärme ihres eigenen Feuers. Nach und nach spürte sie ihren Körper wieder. Ihr Geist streckte sich darin aus. Sie bewegte vorsichtig ihre Finger, schob ihre Beine aus dem Stoff, wackelte mit den Zehen. Langsam strich sie mit ihren Händen darüber, bis ihre Lebenskraft in einem gleichmäßigen Strom durch ihren Körper zirkulierte.
    »Bedeckt Euch«, befahl Lord Otis schroff.
    Überrascht hob sie ihren Kopf und sah ihn

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