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Licht und Dunkelheit

Licht und Dunkelheit

Titel: Licht und Dunkelheit Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Kerstin Rachfahl
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warm. Ich brauche Euren Umhang nicht mehr.«
    »Lasst ihn an. Im Licht des Mondscheins bietet Euch der Stoff Eures Nachtgewandes wenig Schutz.«
    Levarda spürte das Blut in ihren Wangen. Sie senkte den Blick auf ihre Hände, die in ihrem Schoß lagen. Er hatte nicht nur die Silhouette ihres Körpers gesehen, sondern diesen Körper auch gespürt, als sie sich an ihn klammerte, und das peinigte sie.
    Stille breitete sich zwischen ihnen aus.
    Er ließ ihr Zeit, sich zu fangen – eine feinfühlige Geste, die sie ihm nicht zugetraut hätte. Levarda dachte darüber nach, was geschehen war. Sie hatte ihren alten Traum geträumt, in dem sie von Lord Otis verfolgt und mit Feuer verbrannt wurde. Sie war gerannt, doch diesmal stoppte kein Baum ihr Fortkommen, stattdessen öffnete sich ein See vor ihr. Als sie sein Ufer erreichte, kam die Dunkelheit aus dem See herangekrochen.
    Sie schüttelte den Kopf. Wann hatte sich die Realität mit dem Traum vermischt? Sie konnte sich nicht erinnern, ihr Schlaflager verlassen zu haben und zum See gegangen zu sein. Auf ihrer Zunge brannten Fragen, aber sie wagte keine davon zu stellen. Die Stille zwischen ihnen dehnte sich weiter. Ein angenehmes Gefühl, das ihr Raum gab, ihre innere Mitte wiederzufinden. Woher wusste er, was sie tun musste, um der Dunkelheit zu entfliehen? Wie konnte es sein, dass er mit seinem Feuer all ihre Kräfte bändigte und kanalisierte?
    Langsam aber begann sie zu verstehen, was passiert war, begriff die Verunreinigung ihres Geistes, weil sie Leben genommen hatte, ohne dafür um Verzeihung zu bitten. Kein Leben, keine Energie durfte sie leichtfertig der Welt entziehen. Alles war eins und doch getrennt. Ihr eigener Geist hatte sich zur Wehr gesetzt.
    Sie hatte völlig vergessen, zu meditieren. In der Meditation wäre ihr der verdorbene Zustand ihres Geistes aufgefallen und er hätte sich nicht ungewollt von ihrem Körper trennen können. Sie seufzte tief. Sie verstand jetzt, was passiert war. Aber eine Frage blieb.
    Er saß ihr noch immer gegenüber, die Beine gekreuzt. Seine Arme ruhten auf den Knien, das Gesicht hinter dem Bart und in den Schatten verborgen, unergründlich für sie.
    »Woher wusstet Ihr –«, sie brach ab, suchte nach unverfänglichen Worten, die ein Mann aus Forran verstehen konnte.
    »Ihr vergesst, dass meine Großmutter eine Frau aus dem Volk von Mintra war.«
    Sie schluckte schwer. »Seit wann wisst Ihr, dass ich aus Mintra stamme?«
    »Von dem Moment an, als ich Euch zum ersten Mal sah.«
    Seine Worte sickerten langsam in ihren Verstand durch. Wenn er es gewusst hatte, weshalb hatte er eingewilligt, sie mitzunehmen? Lemars Worte vom Abend zuvor fielen ihr ein. Er hatte keine andere Wahl gehabt. Levarda setzte ihre erste Frage neu an. »Woher wusstet Ihr, was Ihr tun müsst, um meinen Geist in meinen Körper zurückzuholen?«
    »Ihr meint den Schlag?«
    Sie nickte.
    Er zuckte mit den Achseln. »Es war ein Versuch, und es hat funktioniert.«
    Levarda spürte die Lüge hinter den Worten. Sie versuchte sein Gesicht im Dunkel zu ergründen. Kannte er den Vorgang, dass ein Geist seinen Körper verließ? Praktizierte er es womöglich selbst? Ein Schauer überlief sie bei dem Gedanken, was es noch gab, von dem sie nichts wusste und was ihr der Meister verschwiegen hatte.
    »Ist das der Grund, warum Ihr Lady Smira begleitet? Soll Euer Geist heimlich in das Gemach des hohen Lords schleichen und ihn um seinen Verstand bringen?«
    Entsetzt von der Vorstellung schüttelte sie den Kopf.
    »Das würde ich Euch auch nicht raten, denn in diesem Moment wäre Euer Körper mir völlig schutzlos ausgeliefert.«
    Mehr brauchte er nicht zu sagen. Levarda hörte die Drohung in seinen Worten. Sie wusste, dass er sie töten würde. Es war nur eine Frage der Zeit. Wie leicht wäre es heute für ihn gewesen! Sie spürte noch immer die Kraft, mit der er ihren Kopf umklammert gehalten hatte. Ein kleiner Dreh nur –. Sie schauderte bei dem Gedanken, dass sie so zerbrechlich war.
    »Das Ritual«, sprach sie ihn an, »wie kamt Ihr darauf, dass es mir helfen würde?«
    »Meine Großmutter vollzog es nach jeder Schlacht. Sie wandelte direkt nach dem Kampf durch die Reihen der Toten, blieb bei denen, die durch sie den Tod gefunden hatten, stehen, und sprach die Worte. Ich beobachtete sie als junger Mann dabei, und sie erklärte es mir.«
    Levarda zog die Augenbrauen hoch. »Eure Großmutter kämpfte mit Euch in einer Schlacht?« Sie wusste nicht, was sie mehr entsetzte. Die

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