Licht und Dunkelheit
klargeworden, weshalb es dieses Essen mit der Ausnahme gab. Es ging doch hier nur darum, sicherzustellen, dass am Tag der Hochzeit nicht die falsche Frau vor dem Altar des hohen Lords stand.
Eigentlich eine interessante Idee, dachte sie, als sie sich etwas beruhigt hatte, und fragte sich, weshalb Lord Blourred nicht darauf gekommen war. Ob das bereits einmal jemand versucht hatte? Eine zweite Frage formte sich in ihrem Kopf. Wie konnte Lord Otis überhaupt sicher sein, dass Lady Smira wirklich Lady Smira war? Bei seinem Empfang auf Burg Hodlukay hätte man ihm eine falsche Frau unterjubeln können.
Sie runzelte die Stirn, dachte nach. Das Schweigen hielt an, gab ihr mehr Zeit zum Nachdenken. Die Erkenntnis schoss ihr so überraschend durch den Kopf, dass sie erschrocken auffuhr und Lord Otis direkt in die Augen sah.
Er schien ihre Gedanken zu lesen, denn sein Mund verzog sich spöttisch, als hätte er darauf gewartet, dass sie hinter das Geheimnis kam. »Niemand kann Euch sagen, ob ich die Wahrheit spreche. Ihr müsst mir vertrauen.«
Seine Stimme war samtig weich. »Vertraut Ihr mir?«
So hatte er damals mit seinem Hengst gesprochen, als dieser in Panik aus dem Stall gerannt war. Levarda starrte Lord Otis entsetzt an. In seinem Gesicht zeigte sich keine Regung, sein kalter Blick ließ sie erschauern.
Sie neigte den Kopf zur Seite, für einen Moment versucht, ihn mit ihrer Erkenntnis zu konfrontieren. Er konnte Energiemuster wahrnehmen! Vermutlich war das der Grund, weshalb ihn der hohe Lord entsandte, um seine Gemahlinnen für ihn zu holen. Das Muster eines jeden Menschen besaß eine einzigartige Struktur. Wer über ein feines Gespür verfügte, konnte mit Sicherheit feststellen, ob es sich bei Personen um Vater, Mutter und Tochter handelte.
Sie löste ihren Blick von ihm und ließ ihn hinüber zu Sendad wandern, der sie aufmerksam beobachtete. Nein, er besaß nicht die gleichen Kräfte wie sein Vorgesetzter. Sie alle mussten sich auf ihre normalen Sinne verlassen, deshalb das Essen und kein Schleier.
Ihr kühles Element Wasser gewann allmählich die Oberhand. Sie entschied sich gegen eine weitere Provokation und sah ihren Gastgeber an.
»Ja, Lord Otis, ich vertraue Euch.« Sie kaute lange an dem Wort » vertrauen«, doch schließlich brachte sie es über ihre Lippen.
Seine Mimik verriet nichts von seinen Gefühlen. Genauso beherrscht und ausdruckslos war seine Aura. Ungewöhnlich für ihn.
Sie richtete sich wieder an Lady Smira. »Ich denke, Ihr könnt Eurem zukünftigen Beschützer«, sie ließ das Wort in der Tonlage nach oben wandern, machte eine kurze Pause, bevor sie fortfuhr, »in dieser Angelegenheit vertrauen.«
Langsam hob Lady Smira ihre Hand, löste das Tuch zögernd von ihrem Gesicht. Unverhohlen neugierige Blicke trafen die junge Frau, die sofort verlegen den Kopf noch tiefer senkte, wobei ein Lächeln unmerklich ihre Lippen umspielte. Levarda erkannte, dass ihr die entgegengebrachte Bewunderung schmeichelte. Ja, ihre Cousine war mit ihren feingezeichneten Gesichtszügen, der hellen Haut, dem dicken, goldenen Haar und ihren außergewöhnlich langen Wimpern eine Frau, die das Herz der Männer höher schlagen ließ.
»Nun, dann wäre das geklärt.« Lord Otis klatschte in die Hände und in die Dienerschar kam Bewegung.
Egris sprach Levarda an. »Wie gefällt Euch das Zimmer, in dem Ihr schlaft?«
Unsicher, ob dies ein erlaubtes Gesprächsthema zwischen einer unverheirateten Lady und einem verheirateten Offizier war, zögerte sie.
»Es ist geräumig und mir gefällt das Zimmer mit dem See«, antwortete sie möglichst unverfänglich.
»Mit dem See?«, fragte Sendad überrascht.
Levarda senkte den Löffel mit der Suppe, den sie zum Mund geführt hatte. »Nun gut, es ist natürlich kein See, ich nenne es nur so, das steinerne Becken mit dem heißen Wasser.«
Verwirrt sahen die Männer sie an. Auf Lady Smiras Gesicht erschien eine tiefe Röte. Kein erlaubtes Gesprächsthema, seufzte Levarda innerlich auf.
»Sie meint mein Bad«, warf Lord Otis ein. Sein Ton verriet Ärger.
Unsicher, ob sie der Anlass für seine schlechte Laune darstellte oder Egris, presste sie die Lippen aufeinander. Schließlich hatte er ihr die Frage gestellt, und einem Mann nicht zu antworten, wäre genauso unhöflich gewesen, oder etwa nicht?
Ein breites Grinsen trat in das Gesicht von Egris.
»Oh, ich verstehe. Das Bad, mit Verlaub, war gar nicht für Euch gedacht, das hatte der Lord nur zu seinem Ärger nicht
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