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Licht und Dunkelheit

Licht und Dunkelheit

Titel: Licht und Dunkelheit Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Kerstin Rachfahl
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bedacht, als er Euch so großzügig sein Zimmer überließ.«
    »Egris!«, schallte es vom Kopfende her.
    »Ihr schlaft in dem Gemach des Lords?« Lady Smiras Stimme hatte sich um eine Oktave erhöht und augenblicklich breitete sich tiefe Verlegenheit in Levarda aus. Am liebsten hätte sie sich ein Loch gesucht, um darin zu verschwinden. Wieso musste alles in diesem Land so verflucht kompliziert sein? Zu allem Überfluss schwiegen die Männer ebenfalls, selbst ihr Gastgeber schien keine Antwort parat zu haben.
    Schließlich räusperte er sich. »Lady Smira, meine Burg ist ein bescheidenes Heim. Ich war nicht darauf eingerichtet, zwei Ladys hier unterzubringen. Diesen Umstand habe ich Eurem Vater, Lord Blourred, zu verdanken. Aber ich nehme gern die Unannehmlichkeiten in Kauf, damit sich Lady Levarda später nicht beschweren kann, ich hätte ihr die nötige Gastfreundschaft verwehrt, die sich einer Frau ihrer Stellung gegenüber ziemt.« Sein Ton unterband jede weitere Diskussion über den Punkt.
    Sendad wandte sich überraschend geschickt mit der Frage, ob ihr die Suppe munde, an Lady Smira. Es schloss sich ein Gespräch über Lady Smiras Vorlieben Speisen betreffend an.
    Levarda löffelte still die abgekühlte Suppe. Ihre Gedanken schweiften ab. Die Begründung des Lords klang plausibel und auch wieder nicht. Seine Burg erweckte keinesfalls den Eindruck, als könne sie eine weitere Lady nicht beherbergen. Im gleichen Sinne hatte sich auch Adrijana geäußert. Außerdem wusste Levarda aus Larisans Buch, dass Ikatuk sogar Ehefrau und Geliebte des Lords geborgen hatte. Erneut begannen ihre Gedanken, um den tieferen Sinn ihrer Einquartierung in seinem Zimmer zu kreisen.
    Egris wies Timbor leise zurecht, der seine Augen nicht mehr von Lady Smira abwandte, seit sie den Schleier gelüftet hatte.
    Levardas Gedanken wanderten zu Larisans Geschichte zurück. Was passierte, wenn man Menschen tötete, die völlig unschuldig waren? Sie spürte eine Gänsehaut auf ihrem Arm, als sie darüber nachdachte, wie es ihr ergangen war, nachdem sie die Wegelagerer getötet hatte. Sie zuckte zusammen, als Egris sie mit dem Fuß anstieß. Für den Bruchteil eines Augenblicks verdichtete sich die Luft um sie herum, wehte durch den Raum, sodass ein Diener sich nach dem offenen Fenster umdrehte.
    Dann hatte sie ihre Gefühle wieder im Griff. Sie sah Egris an. Mit einem Zucken seiner Augenbrauen wies er auf Lord Otis, der anscheinend eine Frage an sie gerichtet hatte.
    »Verzeiht, Mylord, ich war mit meinen Gedanken woanders. Wonach fragtet ihr?«
    Er betrachtete sie aus schmalen Augen, wiederholte seine Frage. »Schmeckt Euch das Essen nicht?«
    Überrascht sah sie auf den Teller vor sich. Sie hatte ihn bis zu diesem Moment nicht bemerkt.
    »Um das zu beurteilen, muss ich es erst probieren.«
    Sie schnitt ein Stück von dem Fleisch ab, führte es zum Mund, schloss die Augen, während sie kaute. Ausgezeichnet, das Fleisch besaß die perfekte Konsistenz aus Zartheit und Biss. Sie öffnete die Augenlider. Lord Otis beobachtete sie. Erwartete er eine Antwort?
    »Es schmeckt vorzüglich, Mylord.« Ausgerechnet in diesem Moment fiel ihr sein Gespräch mit Lemar ein, das sie am See belauscht hatte. Mitten in der Bewegung zum zweiten Bissen hielt sie inne. War das Fleisch vergiftet?
    Ein amüsierter Ausdruck erschien auf seinem Gesicht. »Was ist, schmeckt es Euch doch nicht?«
    Levarda legte die Gabel auf den Teller. »Vielleicht ist es ein wenig zu üppig für eine Abendmahlzeit.«
    »Das sagt Ihr?«, wandte Timbor keck ein. Er zeigte mit seiner Gabel auf sie. »Am Lagerfeuer hättet Ihr ein zweites Stück gegessen, wäre eines übrig gewesen.«
    Wie zur Antwort knurrte ihr Magen. Levarda stöhnte innerlich auf.
    »Vielleicht probiert Ihr das Fleisch auf Lady Levardas Teller, Egris, ich möchte sichergehen, dass es nicht verdorben ist«, bat der Gastgeber.
    Stirnrunzelnd sah Egris erst auf den Lord, dann auf Levarda. »Darf ich?«
    Noch bevor sie antworten konnte, schnitt er sich ein Stück von ihrem Fleisch ab und schob es sich in den Mund. »Da ist nichts dran, Ihr könnt es ruhig essen«, erklärte er mit vollem Mund und einem Augenzwinkern.
    Das Grinsen in Lord Otis‘ Gesicht vertiefte sich.
    Levarda senkte den Blick, beschämt von ihren eigenen Gedanken und Vorurteilen. Stumm aß sie den Teller leer, und bevor sie etwas sagen konnte, lud der Diener auf einen Wink seines Herrn ein zweites Stück darauf.
    Lemar beugte sich zu ihr herüber.

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