Licht und Dunkelheit
Offizieren über ihre Familie und ihre Brüder, tauschte sich mit ihnen über die Familienstammbäume der einzelnen Hofdamen aus.
Levarda atmete erleichtert auf, als sich das Interesse von ihr abwandte. Sie lauschte den Gesprächen, beobachte heimlich die Offiziere. Sie bemerkte, wie Lady Smira laufend von ihrem Wein trank, der beständig nachgefüllt wurde. Auf ihren Wangen bildeten sich langsam rote Flecken, die Artikulation fiel ihr immer schwerer. Die Gesprächsthemen hatten indes gewechselt und drehten sich um die Verbindungen Lord Blourreds mit den anderen forranischen Adelshäusern.
Levarda erinnerte sich an Gespräche mit einer alten Frau aus dem Land Forran, die eines Tages an den Grenzen von Mintra aufgetaucht war. Sie hatten Freundschaft geschlossen. Ihr war es vorgekommen, als suche sie das Land Mintra, das den meisten Menschen den Zutritt verweigerte. Sie hatte ihr geholfen, eine Unterkunft zu bauen, in der sie vor Unwettern geschützt war. Für diese Frau gab es nur noch eine Reise, das wusste Levarda, nachdem sie ihre Hand gehalten hatte.
Fast jeden Tag hatte sie bei ihr vorbeigeschaut. Kilihael, so bezeichnete sie sich selbst – ‚die ohne Namen‘ – ein Wort aus dem Land der Tarieken, einem Volk, das Levarda nur aus Erzählungen kannte.
Die Greisin hatte eine Aura von Traurigkeit, Reue und Schuld ausgestrahlt. Ihre lockigen, dunkelgrauen Haare reichten ihr bis zum Kinn und stahlen sich vorwitzig unter ihrem Kopftuch hervor. Tiefe Falten waren in das wettergegerbte Gesicht gezeichnet gewesen. Wenn sie von ihrem Leben in Forran erzählte, waren ihre Hände ständig in Bewegung und in ihren Augen glitzerte es, mal vor Vergnügen, mal von Tränen.
Alles an Kilihael war ihr intensiv und trotz des nahenden Todes lebendig erschienen. Das hatte sie in den Bann der Frau gezogen, die gar nicht so war, wie Levarda sich eine Forranerin vorstellte, so voller Erfahrung und Weisheit. Sie kannte sich mit Pflanzen aus, und manchmal schien sie Verbindung zum Element Feuer zu haben, aber es gab kein Anzeichen von Energie an ihr. Die Frage, weshalb sie Mintra suche, hatte sie nie beantwortet.
Von ihr hatte Levarda Geschichten über die Tarieken gehört, von denen sie voller Verachtung sprach, denn sie behandelten ihre Frauen wie Eigentum. Aber Forran stand immer im Mittelpunkt, der hohe Lord, die Herrschaftshäuser. Es überraschte Levarda, wie verworren die politischen Strukturen des Landes sich darstellten.
Selbst mit ihrem rudimentären Wissen zeichnete sich, während sie auf die Worte ihre Cousine achtgab, eine klare Linie der Allianzen ab.
»Ich habe einst an der Seite Eures Bruders, Eskath, gekämpft«, bemerkte Lemar, »Lord Blourred braucht sich keine Gedanken zu machen, dass jemand sich seinen Grenzen nähert.«
»In der Tat sind alle meine Brüder ausgezeichnete Krieger.«
»Umso besser, dass Ihr eine Verbindung mit dem hohen Lord eingeht.« Der Ton in der Stimme von Lord Otis ließ den Satz in Levardas Ohren falsch klingen. Wenn ein Todesurteil im Raum stand, war es eine strategisch unvernünftige Entscheidung, sich mit dem Herrschaftshaus anzulegen.
»Hat Euer zweitältester Bruder nicht in das Haus von Poridur eingeheiratet?« Die Frage kam von Timbor, der sich bisher bei dem Gespräch zurückgehalten hatte.
Die zukünftige hohe Gemahlin lächelte dem jüngsten Offizier scheu zu. »Ja, Ihr seid gut unterrichtet. Lord Fingan selbst hat Anthan ein Angebot unterbreitet.«
»Euer Bruder hat nicht den Heiratsantrag gestellt?«, warf Egris erstaunt ein.
Ein arrogantes Lächeln erschien auf Lady Smiras Lippen. »Anthan hat eine reichhaltige Auswahl gehabt, was ihn zögern ließ. Lord Fingan hat seine Unentschlossenheit zum eigenen Vorteil genutzt, aber auch mein Vater scheint mit diesem Bund zufrieden, sichert er doch unsere östlichen Grenzen ab.« Von all der Aufmerksamkeit berauscht, plapperte sie munter aus, was die Männer interessierte.
Für Levarda spielte es keine Rolle, dass Smira strategische Geheimnisse ausplauderte, schließlich wären sie im gegebenen Fall ohnehin beide nicht mehr am Leben. Hingegen wurde ihr bewusst, wie gefährdet der Frieden in diesem Land war, und dass viele Menschenleben von ihrer eigenen erfolgreichen Mission abhingen.
Als Levarda sah, wie der Diener erneut ansetzte, Smira nachzufüllen, legte sie entschlossen ihre Hand über den Becher. Die Gespräche waren in einer entspannten Atmosphäre erfolgt, die Männer überaus höflich und unterhaltend. Selbst sie
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