Licht und Dunkelheit
hatte sich des öfteren beim Schmunzeln ertappt. Sie gönnte ihrer Cousine diesen vergnüglichen, von der Etikette befreiten Abend, bevor sie die Verantwortung als Gemahlin des hohen Lords auf die Schultern gepackt bekam. Dennoch passte ihr die Art nicht, wie sie betrunken gemacht wurde, um ihr Informationen zu entlocken.
»Ich denke, Ihr habt genug Wein getrunken.«
Sie winkte dem Diener. »Bitte bringt Mylady Wasser.«
Der Blick des Mannes wanderte zu seinem Herrn, erst nach einem Wink von ihm folgte er Levardas Bitte.
Lady Smira versuchte wenig erfolgreich, die Lippen zusammenzupressen. »Ich entscheide selbst, ob ich Wein oder Wasser trinken will.«
»Selbstverständlich, Mylady«, ging Levarda auf sie ein. »Ihr möchtet aber gewiss nicht, dass Euer Aussehen durch den übermäßigen Konsum von Alkohol Schaden nimmt.«
Sie konnte sehen, wie das Mädchen sich bemühte, über ihre Worte nachzudenken. Der Wein benebelte ihren Verstand, ließ keine vernünftigen Gedanken mehr zu. Sie bekam unerwartet Hilfe von Lord Otis.
»Ich denke, wir alle haben genug getrunken, und ich nehme an, dass wir heute selbst Lady Levarda satt bekommen haben.« Er warf ihr einen spöttischen Blick zu, bevor er weitersprach. »Ihr dürft Euch in Eure Räume zurückziehen, Myladys.«
Levarda saß auf dem Fenstersims bei geöffnetem Fenster. Der Abend war mild und sie genoss den leichten Wind, der mit ihren Haaren spielte. Sie beobachtete den Wachwechsel auf der Burg und überlegte, welche Vorteile dieses Zimmer noch bergen könnte. Aber ihr wollte einfach nichts einfallen. Schließlich rutschte sie vom Sims, schloss das Fenster und stand unschlüssig vor dem Bett, das Adrijana ihr aufgeschlagen hatte.
In diesem Bett schlief einst Larisan mit Lord Kilja. Andererseits schlief in diesem Bett auch Lord Otis mit Rika und mit Adrijana, davon war sie überzeugt, egal, was Adrijana behaupten mochte.
Levarda schüttelte sich innerlich. Sie ging zur ihrer Tasche, holte verschiedene Duftkräuter hervor, band sie zu kleinen Sträußen und beträufelte sie mit einem Öl. Sie stellte sich auf das Bett und befestigte an jedem der vier Pfosten eines der Sträußchen. Zufrieden betrachtete sie am Ende ihr Werk. So, wie es Kräuter gab, die das Verlangen zwischen Mann und Frau steigerten, gab es welche, die das Gegenteil bewirkten. Wenn sie Glück hatte, würden diese für längere Zeit den körperlichen Appetit von Lord Otis bremsen. Eine kleine Rache für seine Gemeinheiten ihr gegenüber am heutigen Abend.
Sie fühlte sich nicht im Geringsten müde. Die Energie der reichhaltigen Mahlzeit pulsierte durch ihre Adern. Unschlüssig, was sie mit ihrem Tatendrang als Nächstes anstellen konnte, ging sie auf nackten Füßen zum Kamin, in dem ein kleines Feuer brannte. Angesichts der Fähigkeiten von Lord Otis war es bestimmt nicht verkehrt, sich mit dem Element vertrauter zu machen. Ein paar Übungen wären gewiss hilfreich.
Ein sanfter Lufthauch umschmeichelte ihre Beine. Sie drehte sich zum Fenster und wollte zurückgehen, um es zu schließen, sah aber, dass sie es richtig geschlossen hatte. Erstaunt betrachtete sie die Gänsehaut auf ihren Beinen, fühlte nach, ob sie vielleicht erneut unbewusst mit dem Element Luft spielte. Nein, der Lufthauch kam nicht von ihr. Sie folgte mit ihren Sinnen dem Weg der Brise bis zu der Wand neben ihrem Bett. Mit gerunzelter Stirn musterte sie sie, auf der Suche nach einer überzeugenden Erklärung, wie Wind durch eine Mauer ziehen konnte. Es war nur ein winziger Hauch, der ihr ohne ihre feinen Sinne sicher nicht aufgefallen wäre. Nein, auch sie selbst hätte es nicht bemerkt, wäre sie nicht so voller Energie gewesen, die all ihre Sinne schärfte.
Sie ließ ihre Sinne aufmerksam über die Oberfläche wandern. Nichts – nur eine ganz gewöhnliche Zimmerwand. Mit den Händen tastete sie die Mauer ab. Nichts. Nur, dass der feine Luftzug sich an ihren Füßen intensiver bemerkbar machte. Sie legte sich flach auf den Boden, schloss die Augen, sog den Duft der Luft ein. Sie roch nicht frisch, sondern muffig und abgestanden. Hinter der Wand musste es einen Hohlraum geben. Levarda nahm ein wenig Abstand und betrachtete das Gemäuer aufs Neue. Wenn es hinter der Wand etwas gab, wäre es ziemlich sinnlos, wenn man es nicht von diesem Zimmer aus erreichen könnte.
Die einzige Unregelmäßigkeit an der Wand war eine Art Fackelhalterung, zumindest konnte man den Haken dort als solche ansehen. Sie griff danach, drückte
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