Licht und Dunkelheit
sie an. »Sterbe ich?«, stieß sie verzweifelt aus.
Levarda schüttelte den Kopf über so viel Dramaturgie. »Natürlich sterbt Ihr nicht, Ihr habt nur gestern Unmengen an Wein getrunken und das ist das Ergebnis.«
»Es war nicht mehr als ein Becher!«
»Ja, ein Becher, der Euch beständig aufgefüllt wurde.«
Ein lautes Klirren ließ beide zusammenfahren.
Lady Smira richtete sich auf. »Raus, habe ich gesagt, alle raus aus diesem Zimmer, und zwar sofort!«, schrillte ihre Stimme durch den Raum.
Rika, die sich gerade gebückt hatte, um den heruntergefallenen Gegenstand aufzuheben, sah Lady Smira nur verschreckt an.
Mit einem Nicken bedeutete Levarda Lina und Melisana, das Zimmer zu verlassen. Rika schloss sich ihnen an.
»Gibt es in diesen Gemächern einen Raum zum Waschen?«
Lady Smira zeigte auf eine Tür in der Nähe ihres Bettes.
Mit einem feuchten Tuch, in das sie Kräuter eingewickelt hatte, kam Levarda zurück. Sie legte es der jungen Frau, die immer noch unangenehm aus dem Mund roch, auf die Stirn und holte von einem Tisch einen Becher Wasser, mischte ein wenig Minze darunter und reichte ihn ihr.
Gehorsam und fast gierig trank Smira den Becher leer.
Bei diesen Maßnahmen beließ es Levarda. Sollte ihre Cousine nur ihre Lehre aus den Folgen des übermäßigen Alkoholgenusses ziehen. Rikas Reaktion zeigte, dass hier kein Zufall im Spiel war.
Die Kräuter wirkten, und Lady Smiras Züge entspannten sich etwas. »Sind wir allein?«, fragte sie unvermittelt mit rauer Stimme.
»Ja, ich habe Eure Dienerinnen aus dem Zimmer geschickt.«
»Was für ein wunderbarer Abend.«
»Meint Ihr wegen des Weins?«, spottete Levarda.
Die leidende Frau schnaubte ärgerlich und öffnete ihre Augen ein wenig. »Das meine ich nicht!« Ihr Blick verlor sich in der Ferne, und ihr Gesicht verklärte sich. »Er konnte seinen Blick nicht von mir abwenden.«
»Habt Nachsicht mit Timbor, er ist jung und muss noch einiges lernen.«
»Doch nicht Timbor!«, stöhnte Smira, und ihre Hand machte eine wegwerfende Bewegung. »Lord Otis.«
»Lord Otis?« Nachdenklich runzelte Levarda die Stirn und ließ den gestrigen Abend an ihrem inneren Auge vorbeiziehen. Sie hatte nicht weiter auf ihn geachtet und lieber versucht, seine Anwesenheit zu vergessen, was ihr gelungen war, mit Ausnahme der Momente, in denen er sie bloßstellte. Sie konnte sich nicht erinnern, dass er Smira ungewöhnlich viel Aufmerksamkeit geschenkt hatte. Eher schob sich das Bild von Sendad in ihre Gedanken, der der zukünftigen hohen Gemahlin immer wieder aufmunternd zuprostete, sie zum Trinken animierte. Aber der Hausherr?
»Habt Ihr sein Gesicht gesehen?«, ließ sich Smira mühsam vernehmen. »Seine dunklen Augen? Als könnten sie einen verschlingen. Die gerade Nase, diese hohe Stirn, die vollen Lippen ...«
»Die Narbe im Gesicht, der finstere Blick, die Kälte und Grausamkeit in den Zügen um seinen Mund«, führte Levarda bitter die Aufzählung weiter. Lady Smira hatte doch wohl nicht vor, sich in Lord Otis zu verlieben?
»Denkt Ihr, der hohe Lord ist so wie er?«
»Wie meint ihr das – wie er?«
»So stark – so voller Kraft. In seiner Nähe macht mir nichts Angst. Er strahlt so eine Sicherheit aus, als könnte ihn nichts auf der Welt erschüttern.«
Levarda stand auf, trat ans Fenster, um die Vorhänge zurückzuziehen und es zu öffnen. Es ging hinaus in einen Garten. Ein kleiner Teich bildete den Mittelpunkt, und von ihm aus zweigten lauschige Laubgänge ab. Überall waren Rosenbeete verteilt, deren Duft im Verlauf des weiteren Jahres das Zimmer füllen würde. Vögel hatten sich in den Zweigen der niedrigen Bäume niedergelassen und zwitscherten fröhlich vor sich hin. Der Ort strahlte eine Ruhe und Kraft aus, die sie bei einem Mann niemals empfinden könnte. »Ihr begebt Euch auf einen gefährlichen Weg, Lady Smira«, antwortete sie.
»Keine Angst, Lady Levarda, ich bin nicht wie Ihr. Ich weiß, was von mir erwartet wird.«
»Nein, Ihr seid nicht wie ich.«
»Die hohe Gemahlin zu werden, ist mehr, als mein Vater je für mich erhoffen konnte. Ich werde ihn ganz gewiss in dieser Hinsicht nicht enttäuschen. Dennoch ist es ein erregender Gedanke, Lord Otis in Zukunft immer in meiner Nähe zu wissen.«
Levarda wandte sich abrupt vom Fenster ab. »Benötigt Ihr noch meine Hilfe?«, fragte sie kühl.
Lady Smira drehte sich in ihrem Bett zur Seite. »Nein. Ihr dürft gehen.«
Sie eilte in ihr Zimmer zurück. Adrijana saß noch immer auf dem
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